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Ziemlich beste Freunde

Ziemlich beste Freunde

Titel: Ziemlich beste Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillipe Pozzo di Borgo
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gepflegt, massiert und mehrmals täglich umgelagert wurde, genügten zwei Wochen auf der Intensivstation und schon war es passiert. Erst nach neun Monaten in Kerpape schloss sich diese erste Wunde wieder.
     
    *
     
    Durch die vielen Stunden, Nächte, Monate, die ich liegend verbringe, den Blick an die Decke gerichtet, wird mir ein Reichtum zuteil, der mir, einem schillernden Angehörigen der Hautevolee, bisher entgangen war: die Stille.
    In der Stille herrscht das Bewusstsein. Es ordnet ein, was uns umgibt. In der Stille thront der Mensch. Am Anfang befällt einen eine gewisse Furcht. Kein Geräusch, das einen entführt, keine Empfindung, die einen begrenzt – ein riesiges, monotones und lebloses Brachland. Man muss sich winzig klein machen, erst dann entdeckt man in dieser tonlosen Trostlosigkeit eine Spur von Leben. Bis man schließlich unendlich kleiner Details gewahr wird: Der Finger einer Krankenschwester streckt sich, verabreicht eine schmerzlose Spritze an irgendeiner Stelle dieses Körpers, den man nicht mehr spürt; eine Träne kullert unter dem frischen Verband hervor über die Schläfe bis ins Ohr und kitzelt, bis der Schlaf sie verwischt; der Druck des Heftpflasters auf einem Nasenflügel, das den Beatmungsschlauch fixiert; ein vor Erschöpfung flatterndes Augenlid. Ein Gesicht nähert sich: Man nimmt Laute wahr, doch die Worte bleiben unverständlich. Lila Augenlider, die sich im Neonlicht schließen. Wenn die Dunkelheit herannaht, drehen sich die Augen weg. Dann nichts mehr. Das Erwachen kommt zögerlich: ein Geräusch oder ein Druckgefühl im Gesicht. Das Gehirn tritt in den Wachzustand ein. In diesen Stunden, in denen die Augen geschlossen bleiben, hebt eine schwache Aktivität im Inneren an.
    Eines Tages ist eine Stimme da. Meine ist es nicht, sie kommt von innen. Eher eine weibliche Stimme, vielleicht Béas. Sie stellt mir Fragen, als sei sie ganz unabhängig von mir, und weil ich anfangs nicht reagiere, antwortet sie des Öfteren auch. Ich gewöhne mich an ihre Anwesenheit, fange selbst an zu antworten. Doch ich erkenne nicht einmal meine eigene Stimme: Es kommt mir vor, als ob zwei Plaudertaschen in meinem Kopf ein Kaffeekränzchen abhalten, ohne je eingeladen worden zu sein. Unterhaltsam sind sie schon, sie gehören ja auch zu mir. Nach und nach mache ich meine Autorität geltend. Immer häufiger antworte ich anstelle der männlicheren der beiden Stimmen. Anfangs sind die Gesprächsthemen seltsam banal.
    »Ist dir klar, was dir zugestoßen ist?«
    »Ja, ja. Ich glaube schon.«
    »Was sagst du zu Béatrice, wenn sie kommt?«
    »Ich schaue sie an, du Schlauberger!«
    Diese innere Stimme und meine eigene reden ohne Unterlass, so dass ich bald nicht mehr weiß, wer wer ist.
     
    Monatelang starre ich an die Decke, ohne mich je zu langweilen. In diesem blendenden Weiß habe ich um meinen Körper getrauert, bin ich unter die Lebenden zurückgekehrt. Ich habe diese Stimme gebändigt, durch die ich womöglich wie ein Erleuchteter geklungen hätte (das hätte noch gefehlt, dass sie mich in einer Anstalt wegsperren!). Vergessen die fürchterlichen Momente, als ich lernen musste, ohne Gerät zu atmen, lernen musste, ein Leben mit dem zu akzeptieren, was von mir noch übrig ist, und dem, was mir hinzugefügt wurde. Gestärkt durch meine ständige innere Beschäftigung und beruhigt von dem Wissen um Béatrices Liebe, bessert sich mein Zustand allmählich.
    Die wenigen Empfindungen, die mir noch bleiben, habe ich unter Kontrolle. Auf Béatrices Besuche bereite ich mich mit meinem pausenlosen inneren Palaver vor. Wenn sie da ist, verschwinde ich: Ich registriere jeden Blick von ihr, jedes Wort. In dieser Zeit muss sie mich mit dem Virus der Hoffnung infiziert haben, habe ich mein Bewusstsein entdeckt, so dass sich dann alles Weitere ergeben konnte.
     
    Das Vertrauen in die Zukunft entsteht in der Stille. Die Stunden verstreichen. All meine Gedanken konzentrieren sich auf mein körperliches Überleben. Ich darf die Hoffnung nicht bedrängen. Schreckliche Schmerzen bohren sich in alles Empfindsame, über das ich noch verfüge. Sie rauben mir den Atem, ich liege da mit leerem Blick. Sobald sie auch nur für einen winzigen Moment nachlassen, flackert die Hoffnung wieder auf. Und mit ihr eine neue Geburt.
    Stille.
     
    Selbst in diesem Debakel wage ich noch, daran zu glauben. Aus der Kluft zwischen meinem gegenwärtigen Leben und dem Glück, das ich noch erwarte, erwächst die Hoffnung.
     
    Die Behinderung, die

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