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Zigeuner

Zigeuner

Titel: Zigeuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bauerdick Rolf
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Allgemeinen Zeitung . Hefty wies auf die Sonderbarkeit hin, dass der Schwiegervater von Róbert Csorba seine Tochter Renata mit der Enkelin Marte von der Familie Csorba wegholte und in ihr Elternhaus zurückbrachte. Und das sofort, noch am Tag der Mordtat. Ein Affront. Seitdem sind die Familien geschieden. Vorsichtig wertete Hefty dies als Indiz, Renatas Familie mache die Familie Csorba mit dafür verantwortlich, dass sie »auf die Abschussliste gekommen sei«.
    Zwei Jahre nach dem Mord an Sohn und Enkel erzählte mir Csaba Csorba von ständigen Schikanen durch örtliche Polizeibeamte. Andauernd würden seine sechs Söhne kontrolliert, in Handschellen gelegt und mit der Warnung bedroht, sie alle würden enden wie Róbert. Sohn Ricky sollen Polizisten eine Pistole an den Kopf gehalten haben, ihn drei Tage ins Gefängnis gesteckt haben, erst in Kecskemét, dann in Budapest. Und das, wie Csaba Csorba sagte, »ohne jeden Grund«.
    Es ist nicht auszuschließen, dass ungarische Polizisten sich so verhalten, wie man es aus billigen Kriminalfilmen kennt. Doch sind ermittelnde Polizeibeamte tatsächlich so einfältig, eine offensichtliche Brandstiftung, einen Jungen mit zerschossenem Gesicht, einen ermordeten Vater, eine angeschossene Mutter und ein schwerverletztes Mädchen auf einen Unfall mit einem defekten Heizstrahler zurückzuführen? Was bringt Beamte dazu, das Augenscheinliche zu leugnen? Weswegen sollten Polizisten in einem Land der Europäischen Union ein massives Interesse daran haben, eine derartige Tat nicht aufzuklären? Müssen sie nicht fürchten, dass sich in der Öffentlichkeit der Verdacht verfestigt, sie hätten mit den Attentätern gemeinsame Sache gemacht? Oder erhalten die Beamten Rückendeckung von höheren Instanzen der Politik?
    Die ehemalige Europa-Parlamentarierin Viktória Mohácsi zweifelte nicht, dass der ungarische Geheimdienst in den Anschlag involviert ist. Zunächst war ich geneigt, dies als eine obskure Verschwörungstheorie abzutun. Merkwürdigerweise waren alle meine ungarischen Interviewpartner, gleich ob sie sich zum linken oder zum rechten politischen Spektrum bekannten, derselben beunruhigenden Ansicht, dass zweifellos klandestine Kreise die Tat deckten. Selbst Gábor Vona, der Vorsitzende der Jobbik, der Partei »für ein besseres Ungarn«, nahm an, dass Geheimdienstler hinter den Morden an den Roma stecken, um die Konflikte zwischen Magyaren und Zigeunern zu schüren. Die mutmaßliche Absicht, durch unkontrollierte Racheakte seitens der Roma solle ein Bürgerkrieg angezettelt werden, galt unter ungarischen Intellektuellen als ausgemachte Sache. Es sei letztlich nur eine Frage der Zeit, wann diese Wahrheit ans Licht gelange. Auch das mag sein. Die Attentäter jedenfalls schwiegen sich vor Gericht zu der Frage potentieller Hintermänner aus.
    Vor meiner Abreise aus Tatarszentgyörgy machte ich noch ein Foto von dem ausgebrannten Haus am Rande der Romungro-Siedlung. Die nackte gelbe Fassade und der verkohlte Dachstuhl boten ein befremdendes Bild, so als wäre hier in der Nacht des 23. Februar 2009 die Uhr angehalten worden, so als dürfe das Werk der Mordbrenner noch nicht abgerissen und weggebaggert werden, als müsse der Anblick der tristen Ruine noch ertragen werden. Solange zumindest, bis aufgeklärt und erhellt ist, nicht, was hier passierte, sondern warum es geschah. Ich hoffe, eines Tages wird die Antwort gefunden. Ich fürchte, sie wird hineinführen in einen Sumpf aus Verbrechen und Boshaftigkeit, aus Vertuschung und Lügen. Erneute Versuche meinerseits, in der Dienststelle in Orkeny mit den Polizisten zu sprechen, die in der Mordnacht in Tatarszentgyörgy vor Ort waren, ergaben, dass die Beamten ausgetauscht worden waren. Lediglich ein Polizeischüler meinte: »Was genau in Tatarszentgyörgy passierte, wird wohl ein Rätsel bleiben.« Als ich mit Viktória Mohácsi wieder Richtung Budapest fuhr, musste ich an eine ähnlich hoffnungslose Geschichte denken. Jahre zuvor hatte sie sich ereignet, in Bolintin Deal, einem Ort unweit der rumänischen Hauptstadt Bukarest.
    »Der Kommunismus ist gegangen, der Nationalismus gekommen«, beklagte damals das Ethnische Bündnis der Roma und registrierte eine Eskalation der Rassengewalt in Rumänien. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre überrollte eine Welle brutaler Übergriffe das Land, bei denen Roma getötet, Siedlungen in Brand gesteckt, Familien ausgeraubt und Menschen vertrieben wurden. Wenn seitdem eine Liste der Städte und

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