Zigeunerprinz
Pläne ihretwegen geändert hatte. Sie hatten Befehle, die Ankunft des Königs betreffend, erhalten, und sie wußten, daß diese Befehle vor ihr geheimgehalten worden waren. Sie mußten vermuten, daß sie irgendwie in die Affäre verwickelt war. Sie enthielten sich jedoch eines Urteils, sondern warteten auf Roderics Rückkehr. Allgemein herrschte das Gefühl vor, daß der Prinz Gründe hatte, die niemand kannte oder erraten konnte. Dennoch verhielten sie sich nicht mit der üblichen Wärme ihr gegenüber. Zugleich behandelten sie sie mit einer brüsken Fürsorge, die normalerweise einem Todeskandidaten auf dem Weg zum Schafott Vorbehalten ist.
Der Tag brach bereits an, als Roderic schließlich zurückkehrte. Er war kurz angebunden und bissig. Er habe, sagte er, fünf Stunden lang das leere Gewäsch und die Dummheit der Hofbeamten ertragen müssen und nichts weiter über den Mordversuch zu sagen. Der König steckte inzwischen im Bett und schlief den Schlaf der Gerechten. Der Kellner war gestorben, ohne noch etwas sagen zu können. Man wußte noch nicht genau, wer ihn getötet hatte; der Täter hatte das Hasenpanier ergriffen und war in der Menge untergetaucht. Seinetwegen, schlug der Prinz von Ruthenien vor, könnten sich alle ein Beispiel an diesen dreien nehmen und irgendeinem davon nacheifern. Alle außer Mara.
Innerhalb weniger Sekunden hatte sich der Salon geleert, und sie war allein mit dem Prinzen. Sie saß ruhig da, das Seidenkleid um sich gebreitet, das Hermelincape immer noch um die Schultern, und faltete die Hände im Schoß. Sie hielt sich stolz und aufrecht und musterte Roderic mit ruhigem Blick, aber innerlich bebte sie vor Angst und unter der bleiernen Schwere der Schuld.
Er blieb stehen, starrte ins Feuer, einen gestiefelten Fuß auf die massive Messingumrandung gestützt, bis sich die Augenblicke ins Endlose zerdehnten. Sein königliches und militärisches Gebaren verlieh ihm erdrückende Autorität. Seine flüssigen, doch kontrollierten Bewegungen sprachen von gezügelter Macht. In dem weichen Tonfall, mit dem er sie ansprach, lag unberechenbare Bedrohung.
»Wer sind Sie?«
»Ich —«
»Nicht!« Seine Stimme schnitt ihr das Wort ab wie eine Schwertklinge, bevor er weitersprach. »Es wäre ein Fehler zu glauben, daß Ihnen eine neuerliche Lüge weiterhelfen würde.«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte sie ruhig. »Ich heiße Marie Angeline Delacroix.«
»Mara.«
Sie starrte ihn ohne jede Überraschung an. Sie hatte gemutmaßt, daß sein Informationssystem zu gut organisiert war, daß er bereits wußte, wer de Landes war oder wenigstens seine Identität überprüft hatte, nachdem er sie mit ihm in Hugos Salon gesehen hatte. Es mußte eine Kleinigkeit für ihn gewesen sein, herauszubringen, wer sie war. »Warum? Warum haben Sie mich weitermachen lassen?«
»Ihnen mangelt es an den Qualitäten einer wahren Verschwörerin. Außerdem war ich neugierig.« Seine Worte kamen knapp und klangen, als würde er sich über sich selbst lustig machen.
»Wirklich? Worauf?«
»Ich wollte sehen, wie weit Sie gehen würden.«
Die Farbe wich aus ihrem Gesicht. Er sah es und hatte das unerklärliche Gefühl, einen wehrlosen Gegner niedergestreckt zu haben. Seine Wut war nicht besänftigt, aber dennoch sollte er wenigstens gerecht bleiben. Er machte unvermittelt eine verneinende Geste und gestattete sich, den Blick zu senken. »Es war eine neue und bezaubernd charmante Erfahrung. Um den Zweck dahinter zu erkennen, mußte ich mitspielen.«
»Die Neugier ist Sie teuer zu stehen gekommen«, sagte sie und berührte mit der Hand die Perlen unter ihrem Hals.
»Nicht außergewöhnlich.«
Erstaunlich, welchen Schmerz ein paar Worte auslösen konnten. Sie schluckte, und fuhr dann fort: »Nun, wenigstens ist es vorüber. Was immer Sie auch denken mögen, ich bin froh, daß der König in Sicherheit ist.«
»Das ist wahrlich eine große Erleichterung. Vielleicht wird das nächste Attentat, das Sie vorbereiten, ähnlich unproduktiv enden, damit Ihr zartes Gewissen nicht belastet wird.«
»Es wird keines mehr geben.«
»Beweisen Sie es mir, dann werden wir alle fröhlich singen und dankend den Herrn preisen.«
Sie hob den grauäugigen Blick und begegnete der lodernden Ironie in seinen Augen. »Was wollen Sie von mir? Soll ich sagen, daß es mir leid tut? Also gut. Ich werde ewig bedauern, was für eine Rolle ich bei dem Vorfall gespielt habe. Werden Sie mich jetzt gehen lassen?«
»Gehen lassen? Nichts unter
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