Zigeunerprinz
hatte schon immer viel während der langen Sommer in Louisiana gelesen, aber während der Trauerzeit für Dennis hatte sie die Bücher als Möglichkeit, sich zurückzuziehen, besonders schätzen gelernt.
»Unter allen meinen Schriften! Gut gesagt. Ich wünschte, die Academie Française würde mit Ihnen übereinstimmen. Nur wegen meines großen Schaffensdrangs glauben sie, man könne mich übergehen, mich und meinen teuren Freund Balzac, der an demselben Problem leidet - einer zu großen Leichtigkeit des Wortes.«
Estes trat vor und schnippte mit den Fingern. »Soviel gebe ich auf die Academie. Man wird sich noch an Sie erinnern, Monsieur, wenn jene, die Ihnen den Zugang verwehren, längst vergessen sind.«
»Aber was ist mit Monsieur Hugo, der ebenfalls am laufenden Band Romane schreibt?« fragte Mara lächelnd. »Er ist doch Mitglied der Academie, glaube ich?«
Dumas zuckte mit den Achseln. »Ach ja, Victors Ausstoß an Worten ist wahrhaft erstaunlich, wenn auch natürlich nicht so groß wie meiner. Aber auch der große Hugo mußte sich viermal - viermal! - bewerben, ehe er angenommen wurde, und selbst dann war es nur dem Einfluß des verstor-
benen Duc d'Orleans zu verdanken, daß ihm Einlaß gewährt wurde.«
»Also war es ein politischer Sieg?«
»Ganz genau, Mademoiselle. Aber Victor betrachtet sich auch als Politiker. Er hat sich schon auf dem Gebiet der Poesie, des Dramas, des Romans, der Finanzen und des Boudoirs hervorgetan. Für ihn ist die Politik eines der letzten Schlachtfelder, die seines Sieges noch harren.«
Er schien mit seiner Bescheidenheit und Offenheit fast zu Vertraulichkeiten einzuladen. »Und was ist mit Ihnen, Monsieur? Haben Sie auch Ambitionen in dieser Richtung?«
Er lachte laut. »Ich habe noch viele Schlachtfelder, auf denen ich kämpfen kann. Eigentlich möchte ich nur eines: so vermögend sein, daß ich schreiben kann, was ich will - und daß ich mein Haus fertigstellen kann. Sie waren alle so liebenswert. Sie sind gut zu mir. Sie würden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn sie in mein Haus kommen würden, sobald es fertig ist. Dann werden wir essen und trinken und uns unterhalten und mein wunderschönes Monstrum feiern.«
»Sie bauen ein Haus?«
»Eher ein Denkmal«, sagte der Prinz.
»Ein Denkmal für die Geschichte und das Melodram und alle Dinge, die ich schön finde. Es wird einzigartig und atemberaubend werden. Manche werden es wohl auch häßlich finden, aber es wird viele faszinierende Züge haben.«
»Wie sein Erbauer?« schlug Roderic vor.
»Eines Tages, mein lieber Freund, wird Ihnen jemand ein großes Messer zwischen die Schulterblätter rammen oder Ihnen Ihre vorschnelle Zunge herausschneiden.«
»Und eines Tages werden Sie mehr für Ihre Liebhabereien ausgeben, als Sie mit Ihrer Feder zu verdienen vermögen, und dann wird man Sie Ihrer Schulden wegen aus der Stadt jagen. Aber heute nachmittag wird das nicht mehr passieren.« Roderic ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. »Ich würde Ihnen einen Stuhl anbieten, Alex, aber anscheinend ist hier keiner. Sollen wir alle in den Salon gehen?«
Der Prinz trat beiseite, um seinem Gast den Vortritt zu lassen. Auf seine Geste hin begannen die anderen aus dem Zimmer zu gehen. Roderic berührte den Zigeuner am Arm und hielt ihn zurück. In dem Blick, den er ihm schenkte, lag keine Überraschung. Es war, als hätte der Prinz die Anwesenheit des Mannes schon früher bemerkt, doch erst jetzt die Muße gefunden, ihm auch seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Als nur noch der dunkelhaarige Zigeuner, Mara und er selbst in der Galerie standen, sagte er: »Du willst der Truppe beitreten, Luca?«
»Wenn es Ihnen beliebt«, antwortete der Zigeuner, aber seine Haltung war fast abwehrend, als würde er erwarten, zurückgewiesen zu werden, und als wäre er bereit, sich sofort wieder vollkommen ungerührt zu geben.
»Die Entscheidung fälle ich nicht allein. Die anderen müssen einverstanden sein.«
»Sie meinen, Ihre Männer?«
»Das ist die Bedingung. Und sie sind nicht leicht zufriedenzustellen.« Der Prinz sprach mit ruhiger Stimme, aber seine Stimme klang warnend.
»Ich werde versuchen, mich würdig zu erweisen, Hoheit.«
»Du hattest etwas zu melden?«
Der Zigeuner zögerte, als wollte er noch etwas sagen. Schließlich senkte er zustimmend den dunklen Kopf. »Mein Volk hat sein Lager bei Montreuil, außerhalb der Stadtmauern von Paris, aufgeschlagen, wie Sie befohlen haben. Man erwartet Ihre
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