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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Taktik fähig, das wußte sie. Es war gut möglich, daß er sie ihres schwachen Zustandes wegen bis jetzt in Ruhe gelassen hatte. Vielleicht hatte er, nachdem er sie so gesund erlebt hatte, beschlossen, daß sie in der Verfassung war, einem Verhör unterzogen zu werden.
    Und wenn schon ? Er war ein bedrohlicher Mensch, mit Intelligenz und Lebenskraft gewappnet, selbstzufrieden, besessen von der glitzernden und schneidenden Kraft des Wortes, die Helene so oft an seinem Vater beschrieben hatte, und dennoch war er nur ein Mensch, der unbedeutende Prinz eines unwichtigen Balkanlandes am Rande Mitteleuropas. Es war lächerlich, wie alle auf ein Flüstern aus seinem Munde hin sprangen, wie alle sich duckten, sobald er eine Braue hochzog.
    Sie würde sich nicht einschüchtern lassen. Sie hatte vielleicht kein moralisches Recht, da zu sein, wo sie jetzt war, sie mochte vielleicht sogar eine Gefahr für ihn darstellen, aber das gab ihm noch lange nicht das Recht, ihr Befehle zu erteilen oder sie so herablassend zu behandeln. Sie mußte im Augenblick so nahe bei ihm leben wie möglich, aber sie brauchte sich nicht jede Behandlung gefallen zu lassen, die er sich anmaßte. Und sie würde es auch nicht.

4. Kapitel
    Als Mara eine Stunde später in den Salon trat, war von der Truppe oder Monsieur Dumas nichts zu sehen. Der Prinz saß allein vor dem Feuer unter dem großen Marmorsims in einem Sessel, gegen dessen dunkelblauen Seidenbrokat sich sein goldenes Haupt hell abhob. Er starrte in die Flammen, streckte einen gestiefelten Fuß dem Feuer entgegen und hielt ein Glas Wein in seiner Hand.
    Hinter den Fenstern war der Nachmittag dem frühen Abend gewichen, der unter dem bedeckten Himmel noch düsterer wirkte. Ein paar Kerzen brannten mit rußigem, flackerndem Licht auf dem Tisch, der in der Mitte des großen Raumes stand. Sie erhellten einen kleinen Kreis, ließen aber die Ecken im Schatten. Im Halbdunkel konnte sie die Gobelins erkennen, die die Wände bedeckten, den Fries klassischer Figuren, der in den Marmor über den Kamin gehauen war, den Perserteppich mit seinem lebhaften Muster blauer und goldener Blumen, außerdem einige Kommoden, Kanapees und Sessel im Stil Ludwig XV. Staub und Schmutz wurden von der Dunkelheit gnädig verhüllt.
    Mara hatte geglaubt, Roderic hätte ihre Anwesenheit gar nicht bemerkt, aber als sie mitten im Raum stehenblieb, erhob er sich und wandte sich zu ihr um. Sein Blick flog über das verknitterte weiße Seidenkleid, das sie wieder hatte anziehen müssen, aber er sagte nichts dazu. Er ging an eine Kommode, wo ein Tablett mit Weingläsern stand, füllte sein eigenes Glas von neuem, schenkte ihr dann eines ein und trat zu ihr, um es ihr anzubieten.
    »Bitte, setzen Sie sich.«
    Sie konnte sich diesem Tonfall nicht widersetzen. Er war nicht warm, aber er war auch nicht befehlend. Sie machte einen Schritt vor, um den Wein entgegenzunehmen. Auf der anderen Seite des breiten Kamins stand ein Gegenstück zu jenem Sessel, in dem er gesessen hatte. Sie ließ sich auf der äußersten Kante nieder.
    Er kehrte nicht gleich wieder zu seinem Platz zurück, sondern blieb mit dem Rücken zum Kamin stehen. Mit dunklem Blick starrte er auf sie herab, als würde er Alternativen erwägen. Er streckte seine Hand aus und berührte die rissige, grindige Haut an ihrer Schläfe. Als sie augenblicklich zurückzuckte, zog er die Stirn in Falten und senkte die Hand.
    »Ein Wunder der Heilkunst. Sie haben sich schnell von Ihrem Unfall erholt.«
    »Ich hatte keinen großen Schaden erlitten.«
    »Außer einem unbedeutenden Gedächtnisverlust. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie immer noch bei uns wären, hät-ten Sie es inzwischen wiedergefunden, deshalb schließe ich daraus, daß es nicht zurückgekehrt ist.«
    Schwang da nicht eine Spur von Ironie in seiner Stimme? Sie war sich nicht sicher. »Nein.«
    »Offenbar hat auch niemand eine Frau, auf die Ihre Beschreibung passen würde, bei den Behörden als vermißt gemeldet. Auch auf der Straße hört man nichts von einem solchen Vorfall.«
    »Ich verstehe.« Der Wein in ihrem Glas war rubinrot. Sie beobachtete, wie sich die Farbe veränderte, wenn sie das Glas in ihren Fingern drehte.
    »Es sieht so aus, als müßten Sie bei uns bleiben.«
    »Müßten?«
    »Es sei denn, Sie wüßten, wohin Sie lieber gehen würden.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »Es ... es tut mir leid, daß ich Ihnen solche Unannehmlichkeiten mache.«
    »Es sind keine Unannehmlichkeiten. Ich habe mir

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