Zigeunerprinz
könnte! Ich nehme an, wenn einer von Ihnen sich über Kopfweh beklagte, würden die anderen ihm den Kopf abschlagen!«
»Du entwickelst dich noch zum Hausdrachen«, sagte Roderic, um seinen Mann aus der Schußlinie zu nehmen. »Aber nicht alle Männer mögen alte Jungfern. Bist du wirklich sicher, daß dir dein Preuße folgen wird?«
»Laß Arvin aus dem Spiel!«
»Nur zu gern, obwohl wir abwägen müssen, welche Auswirkungen sein Eintreffen - oder sein Ausbleiben - auf dein Temperament haben wird.«
»Ich bin nicht die einzige, die zynisch geworden ist. Wenn ich gewußt hätte, wie sehr es dich trifft, hätte ich gestern abend die Tür hinter dir und deinem Schätzchen geschlossen und wäre still und heimlich wieder verschwunden.«
»Ich wünschte, du hättest es getan«, erwiderte Roderic ungerührt, »oder du wärst nie gekommen.«
»Wenn du erreichen wolltest, daß ich mich hier keinesfalls wohl fühle, dann ist dir das auf bewundernswerte Weise gelungen. Aber es wird dir nichts nützen!« verkündete Juliana in erhabenem Zorn. »Hier bin ich, und hier bleibe ich!«
Mara wartete den Fortgang des Streites gar nicht erst ab. Sie sammelte ihr Nähzeug auf, umrundete die Gruppe und verschwand aus dem Raum. Sie hatte das Gefühl, daß Roderic ihr nachschaute, aber wenn er das tat, dann unternahm er keinen Versuch, sie zurückzuhalten.
Was Roderic zu seiner Schwester gesagt hatte, schien darauf hinzudeuten, daß er die Unterbrechung gestern abend bedauert hatte. Wäre es ihm lieber gewesen, wenn die Hitze des Augenblicks nicht gelöscht worden wäre, wenn er keine Gelegenheit bekommen hätte, mit kühlem Kopf die nächsten Schritte abzuwägen? Bei ihr war es bestimmt so. Sie war so kurz davor gewesen, ihre Aufgabe vollkommen mühelos zu erfüllen. Wie seltsam. Schon nach dem Vorfall mit Dennis Mulholland hatte sie geahnt, daß sie verführerischer war, als sie glaubte - es mußte so sein, sonst hätte er sich niemals so verhalten. Trotzdem überraschte sie die Erkenntnis, daß ihr die Vorstellung, sich dem Prinzen hinzugeben, in diesem Augenblick nicht unangenehm gewesen war; es war ihr natürlich, fast unvermeidlich erschienen. Das Gefühl, in seinen Armen zu liegen, die Zartheit seiner Küsse, das Aufwallen ihres Blutes hatte sie beinahe erschreckt. Sie hatte sich damit abgefunden, den Mann zu verführen; sie hatte nicht erwartet, daß sie es genießen würde.
Sie hatte fast das Gefühl, betrogen worden zu sein, so enttäuscht war sie gewesen, daß sie ihr Ziel nicht erreicht hatte.
Es waren die Angst und das Gefühl, daß ihr kostbare Zeit verlorenging, die sie so heftig reagieren ließ, versuchte sie sich einzureden. Sie glaubte nur halb daran. Es war egal. Ihr blieben nur noch elf Tage. Elf Tage. Jeder einzelne mußte zählen.
Mara war erst seit ein paar Minuten in ihrem Zimmer, als jemand an die Tür klopfte. Juliana trat auf ihre Antwort hin ein. Das blonde Mädchen blieb zögernd in der Tür stehen und biß auf ihre Unterlippe.
»Sagen Sie mir ruhig, wenn ich gehen soll. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf deswegen. Ich war eben unhöflich Ihnen gegenüber, aber das war keine Absicht. Ich fürchte, wir neigen in unserer Familie dazu, allzu offen auszusprechen, was uns durch den Kopf geht. Das zieht manchmal Probleme nach sich.«
»Bitte, kommen Sie herein.«
»Danke.« Sie drehte sich mit wirbelnden Röcken um, um die Tür sorgfältig hinter sich zu schließen.
»Ich habe heute morgen nachgedacht«, sagte Mara. »Möglicherweise möchten Sie selbst den Haushalt Ihres Bruders führen. Wollten Sie vielleicht darüber mit mir sprechen?«
»Mein Gott, nein! Ich bin überhaupt nicht häuslich.« Juliana sah sie fassungslos an.
»Ich möchte Ihnen weder Ihre Privilegien noch Ihre Räume wegnehmen.«
»Ich bitte Sie darum. So wie ich das Haus von meiner letzten Reise her in Erinnerung habe, haben Sie bereits Wunder vollbracht. Es würde mir nicht im Traum einfallen, mich einzumischen.«
»Wie ... wie kann ich Ihnen dann behilflich sein?«
Das andere Mädchen zuckte mit den Achseln. »Ich weiß nicht. Ich bin einfach so zu Ihnen gekommen. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich Sie eben nicht verletzen wollte. Ich wollte den Dünkel meines Bruders etwas bremsen. Er ist entschieden zu überzeugt von sich selbst.«
»Streiten Sie sich immer?« Mara führte sie in den angrenzenden Salon und deutete auf einen Sessel. Juliana ließ sich nieder, seufzte und faßte dann nach ihrem Hut, den sie abnahm und neben
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