Zigeunerprinz
befürchten, daß sie die anderen um Ihretwillen in Gefahr bringen könnte? Aber woher sollte die kommen?« Waren seine Worte als Warnung an sie gedacht? Wollte er damit auf seine eigene Weise ausdrücken, daß er keine Zeit hatte, sich mit einer Frau einzulassen?
»Wenn wir das wüßten, könnten wir sie neutralisieren, so daß sie keine Gefahr mehr wäre.«
»Aber warum? Warum mußten Sie sich ... sich ...«
»Mich einmischen? Ich bin für Trude verantwortlich, so wie für alle anderen und jetzt auch für Sie. Alles, was einem von Ihnen widerfährt, wird man mir anlasten.«
»Wer sollte Ihnen das vorwerfen?«
»Ich selbst.«
Seine Stimme klang unnachgiebig. Er duldete keinen Widerspruch in dieser Frage. Sie ließ sie auf sich beruhen. »Trotzdem scheint es mir eine harte Lektion für Trude zu sein.«
»Sie versteht sie. Außerdem kann sie sich von Ihresgleichen aufrichten lassen. Ich zweifle nicht daran, daß
Sie sie getröstet und ihre Wunden und Ängste gelindert haben.«
»Das hat Juliana getan.«
»Das Kind muß hinter meinem Rücken gereift sein, wenn es für einen so selbstgenügsamen Menschen wie Trude Mitleid empfinden kann.«
»Was wollten Sie damit beweisen - daß sie zu hart oder zu weich ist?«
»Noch eine Fürsprecherin; das habe ich nicht anders erwartet. Ich wollte sie dazu bringen, darüber nachzudenken, welchen Weg sie einschlagen soll. Mehr nicht.«
Sie hatten das Vorzimmer erreicht, durch das man in den Empfangssalon mit dem anschließenden Eßzimmer gelangte. Ein Lakai öffnete ihnen die Tür, und sie traten ein.
Mit gesenkter Stimme sagte Mara: »Das, vermute ich, ist Ihnen gelungen.«
»Zu gut sogar, wie sich heraussteilen könnte. Wie soll ich meine Freude nur zügeln?«
Sie schaute ihn kritisch aus dem Augenwinkel an. Sein blauäugiger Blick ruhte auf ihrem Antlitz. Sie hatte jedoch keine Zeit, weitere Fragen zu stellen, da Juliana vor ihnen auftauchte und Trude bei ihr war, in eine weißseidene Hemdbluse mit feinem Spitzenjabot gekleidet, die sie in ihre Uniformhose gesteckt hatte.
Was hatte Roderic gemeint? War das Bedauern, das sie einen kurzen Augenblick auf seinem Gesicht hatte aufblitzen sehen, eine Reaktion darauf, daß sie seine Aktion mißbilligte, obwohl er diese Mißbilligung absichtlich provoziert hatte? Bedauerte er das, was er als notwendige Distanz zwischen ihnen betrachtete? Oder hatte er im gleichen Augenblick Trude in ihrer Seidenbluse erblickt und die Verweichlichung eines guten Soldaten betrauert? Aber wenn letzteres der Grund war, hatte er nicht mit voller Absicht diesen Ausflug in die Weiblichkeit heraufbeschworen? Die möglichen Verwicklungen dieser Gedanken verwirrten sie zusehends, deshalb gab sie es verzweifelt auf, über das Thema nachzudenken.
Sie hatte eigentlich an diesem Abend noch einmal versuchen wollen, den Prinzen von den anderen zu trennen. Sie sollte keine Gelegenheit dazu erhalten. Direkt nach einem ausgiebigen Essen scheuchte der Prinz alle aus dem Haus. Der Autor Victor Hugo hatte einen literarischen Salon in seinem nahe gelegenen Haus an der Place Royale. Er hatte eine Karte geschickt, durch die er Roderic einlud, so viele aus seinem Gefolge mitzubringen, wie er wünsche. Sie würden die stimulierende Anwesenheit einiger der klügsten Köpfe und liberalsten Geister in Paris genießen, und wenn nicht, so würden sie zumindest davon unterhalten werden.
»Liberal?« mokierte sich Juliana. »Hugo ist ein Libertin!«
»Prüderie, meine liebe Schwester, ist eine Krankheit, die den Körper und die Energie des Geistes schwächt. Solltest du einem Mann das Attribut der Größe verweigern, nur weil er für drei Haushalte aufkommt, die allesamt in Gehweite voneinander entfernt sind?«
»Kein Mann braucht zwei Geliebte und eine Ehefrau. Und es ist ungehörig, daß Hugo seine Kollektion so nahe beieinander untergebracht hat. Wie mögen sich die beteiligten Frauen dabei Vorkommen, so zur Annehmlichkeit eines Mannes untergebracht worden zu sein?«
»Nicht umsonst lautet sein Motto: >Ego Hugo<. Das nenne ich grandios.«
»Ich nenne das lächerlich.«
»Großen Männern kann man viele lächerliche Dinge vergeben. Dumas seine Westen zum Beispiel.«
»Unter anderem! Man sagt, er hält sich einen wahren Zoo, einen Hausgeier namens Jugurtha eingeschlossen, der fünfzehntausend Francs wert sein soll, und ein Batallion von Geliebten, die so regelmäßig den Platz tauschen wie eine Palastwache - und die er mit seinem Sohn teilt!«
Roderic ließ sich
Weitere Kostenlose Bücher