Zigeunerprinz
ausgestattet. Die Truppe hatte Lose gezogen, um die Mannschaften für die beiden Rennen zusammenzustellen. Der Preuße und Estes saßen im ersten Boot, Michael und Trude im zweiten. Roderic stellte mit Jared und Luca mit Jacques das zweite Team. Die Rennstrecke erstreckte sich etwa zwei Meilen über ein gerades Flußstück bis zu den beiden Inseln Ile Saint-Louis und Ile de la Cite. Dort würden sich die Boote trennen. Die erste Mannschaft würde über den rechten, die zweite über den linken Flußarm rudern. Hinter der zweiten Insel würden sie ihren Weg wieder gemeinsam bis zur Pont Royal fortsetzen. Die erste Mannschaft, die unter dieser letzten Brücke ankam, würde zum Sieger erklärt werden.
Eine Menschenmenge hatte sich versammelt. Heitere Späße flogen zwischen den Booten und den Ufermauern hin und her. Unter der Brücke zupfte ein Trio von grisettes Blumen und Schleier aus ihren Hüten und warf sie Jacques und Jared zu. Die Zwillinge flirteten geistreich und steckten sich die Gunstbeweise hier und da an. Auch Estes ließ sich das Vergnügen nicht entgehen. Die anderen schenkten den hübschen Näherinnen keine Aufmerksamkeit.
Juliana sprang aus der Kutsche und rannte ans Brückengeländer. »Roderic!« rief sie zu den Männern hinab, die sich um die dümpelnden Boote unter ihr versammelt hatten.«Ich will mit dir fahren!«
»Und riskieren, in den feuchten Armen der Seine zu landen? Kein besonders erstrebenswertes Ziel. Unser ehrwürdiger Vater würde das zutiefst mißbilligen, und zwar zu Recht.« Seine volle, klare und unbekümmerte Stimme scholl zu ihnen herauf. Das Gesicht war bleich im Schein der Laterne, die an jedem Bug hing, aber seine Augen glänzten, glänzten zu stark. Er war nicht nüchtern.
»Er ist nicht hier.«
»Ein unwiderlegbares Argument. Aber was ist mit dem zusätzlichen Ballast?«
»Wenn die Boote gleichmäßig besetzt sein müssen, dann kann Chere mit der anderen Mannschaft fahren.«
»Gleiche Last für beide. Wir werden sehen, welche Dame zuerst um Gnade bittet.«
Ich ganz bestimmt nicht, dachte Mara angespannt und widerwillig. Wenn er nicht mit diesem Unterton gesprochen hätte, hätte sie sich vielleicht geweigert. Das Wasser unter der Brücke floß schwarz und schnell durch die Nacht, von hinterhältigem Kräuseln und Wellen und Luftblasenketten verziert, die von gefährlichen Unterströmungen kündeten. Ab und zu wurde die Rennstrecke vor ihnen mit dem schwachen Licht der Laternen und Gaslampen belegt, das sich über den breiten Fluß legte, aber dadurch wirkte die windige Dunkelheit dazwischen nur noch düsterer. Aus dem Wasser stieg der ölige, saure Gestank alten Schlicks. Die Boote schlugen gegen das Brückenpier, und die Ruder quietschten, von den Ruderern mühsam an Ort und Stelle gehalten. Sie hoffte, daß sie ihr Mut nicht verlassen möge, aber es gefiel ihr gar nicht, bei diesem Mitternachtsrennen mitzumachen.
»Sie haben es gehört. Wir können mit. Also los!« rief Juliana. Sie packte Mara am Arm und zerrte sie zu der Treppe, die zu dem Fußweg unter der Brücke hinunterführte.
Die Boote wurden ans Ufer gesteuert. Juliana kletterte ins Boot ihres Bruders, und Mara ging zu dem Preußen an Bord. Sie setzten sich in die Mitte, so daß das Gewicht gleichmäßig verteilt war. Wieder nahmen die Kähne ihre Startpositionen unter der Brücke ein.
Ruhe senkte sich herab. Die Boote schwankten auf den Wellen, und der kalte Wind pfiff um die Steinpfeiler der Brücke. Das Wasser blubberte und schien zu kichern. Die Gesichter der Männer erschienen geisterhaft im matten Schein der Laternen. Michael und Trude wirkten pflichtbewußt und grimmig entschlossen. Estes, der beim Preußen saß, schien sich gegen die Kälte zusammenzukauern, aber zu allem bereit zu sein, während der Kronprinz einfach nur ungeduldig war. Luca und Jacques waren jetzt ruhig geworden; der Zwilling widmete ebenso wie sein Bruder seine ganze Aufmerksamkeit der vor ihm liegenden Aufgabe. Roderic sprach einen oder zwei leise Befehle, aber saß entspannt und selbstbewußt, ganz und gar konzentriert und vollkommen ungerührt in seinem Boot. Sie warteten.
Über ihnen flammte orangefarbenes Licht auf, als eine Fackel entzündet wurde. Die Stimme Dumas' des Älteren erscholl zu einer geschliffenen Rede, deren Worte vom Nachtwind fortgetragen wurden. Dann wurde die Fackel mit dramatischem Effekt über das Brückengeländer geworfen. Funkensprühend und rauchend fiel sie und wurde gleich darauf vom Wasser
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