Zigeunerstern: Roman (German Edition)
Doppelgängerin handeln, die mir freundlicherweise einen Besuch abstattete. Oder um Schlimmeres, um irgendeinen Trick von Shandor, um eine raffinierte Trugprojektion, um irgendeinen ausgetüftelten neuen technischen Trick.
Doch ob sie nun real war oder unwirklich, die Gewalt ihrer Schönheit begann sofort auf mich zu wirken. Wie dies stets der Fall ist. Die altbekannte Verführung und Hingerissenheit. Ihr Duft, ihre Augen, die Haut, die Lippen … alles. Und wie stets wurden mir die Knie weich, und meine Kehle war wie ausgedörrt. Dieser makellose Körper einer Gaje-Frau, ihr goldenes Leuchten.
(Nein. Ich habe nie so richtig begreifen können, warum mich Syluise dermaßen an sich fesseln konnte, was an ihr mich dermaßen anzog. Gewiss, sie ist unglaublich schön, aber eben doch schön wie eine Gaje-Frau, und aus denen habe ich mir eigentlich nie viel gemacht. Das ist eher Shandors Sache. Ich mag meine Frauen lieber dunkelhäutig und saftig-reif, eben in der echten Roma-Tradition. Ach ja, da hatte es vor langer Zeit Mona Elena gegeben, meine einzige Eskapade in diese Richtung, diese Prinzessin unter den Odalisken, diese überragende Königin unter den Professionellen. Aber die Begegnung mit ihr war doch wohl eher von einem gewissen Experimentalziel bestimmt gewesen: Wie sollte ich denn die Qualitäten von Roma-Frauen richtig schätzen können, wenn ich nie, nicht ein einziges Mal, mit einer von der anderen Sorte gespielt hatte? Und Mona Elena sah doch nun auch wirklich sogar noch ein bisschen aus wie eine Rom. Also, mehr als ein bisschen. Auf jeden Fall sehr viel mehr als Syluise. Dunkel und üppig, mit Glanz in den Augen, sogar den Brustschmuck aus uralten Goldmünzen über den üppigen Kugeln [den Brustschmuck besitze ich übrigens noch immer, weil Mona Elena in unserer letzten gemeinsamen Nacht so überstürzt meine Behausung verließ. Das war jene Nacht, in der die Leibwächter und Fänger des Imperators, des saftstrotzenden Vierzehnten, nach ihr suchten.])
Und so starrte ich also jetzt Syluise an und gedachte all der Gelegenheiten, bei denen sie mich früher schon in die Mangel genommen hatte. Ich erinnerte mich, was das für ein Gefühl gewesen war: dieser Klumpen im Hals, das Pochen zwischen den Schenkeln, die Schweißausbrüche, das zehrende Verlangen. Und wenn sie jetzt nur ein Augenlid senkte, würde das alles von neuem beginnen.
Aber dann stellte ich mit einem Befremden fest, dass ich mehr oder weniger noch immer die Kontrolle über mich selbst bewahren konnte. Nein, dachte ich, diesmal würde sie mich nicht mit einem sengenden Blick ihrer Augen in ein zitterndes Hündchen verwandeln können. Nein. Die fast hypnotische Macht, die sie über mich auszuüben imstande war, funktionierte diesmal nicht ganz, sie griff nicht. Im tiefsten Kern meiner erregten Hingerissenheit konnte ich ein winziges verräterisches Körnchen eines Gefühls spüren, das der Gleichgültigkeit recht nahe kam. Und dadurch sah ich meinen Eindruck bestätigt, dass sie eben doch nicht wirklich wirklich sei, dass ich nichts weiter als ein geschicktes elektronisches Phantom vor mir hatte.
»Also?«, sagte ich. Kühl, abweisend, und starrte sie an, als wäre sie ein Fisch in einem Aquarium, eine absonderliche, ungewohnte Lebensform, die da in dem Glastank vor meinen Augen langsam auf- und niederschwebt und dahin und dorthin treibt. »Was bist du – und was willst du?«
Als erstes runzelte sie die Stirn. Das war wie Wolken vor einer Sonne. Sie spürte wohl, dass etwas nicht in Ordnung war.
»Du scheinst dich nicht über meinen Besuch zu freuen«, sagte sie vorwurfsvoll.
»Bist du es, die mich besucht?«
»Was soll die Frage? Ob ich dich besuche! Weißt du das denn nicht? Mich zu fragen, was ich bin. Nicht wer, sondern was! Was soll das denn bedeuten?«
»Schön, also wer bist du denn?«
»Yakoub! Ich bin Syluise.«
»Wirklich?«
»Ja, erkennst du mich denn nicht mehr? Sag mal, bist du auch ganz in Ordnung, Yakoub? Was hat er mit dir gemacht?«
»Du bist also wahrhaftig Syluise? Und bist den ganzen weiten Weg bis zu mir gekommen?«
»Nach Galgala, ja. Ist denn das so enorm weit, von Xamur bis Galgala?«
»Und er hat dich eingelassen?«
»Selbstverständlich hat er mich hereingelassen. Was willst du damit eigentlich sagen?«
»Ich glaube nicht, dass du es wirklich bist. Dass du wahrhaftig dicht vor mir in meiner Zelle stehst, in diesem Augenblick …«
Sie war ganz in Gold gekleidet. Ihr Galgala-Kostüm, ein schimmerndes,
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