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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Anlässen. Der allgemeine Trübsinn, die allgemeine Niedergeschlagenheit waren ansteckend. Ich beschloss, sobald meine Geschäfte mit Periandros beendet wären, mich so rasch wie möglich von diesem Ort zu entfernen.
    In seinen Prachtgewändern wirkte er verkrampft, zusammengefallen und ausgezehrt. Der Periandros, an den ich mich erinnern konnte, war ein wohlbeleibter Mann gewesen, mit feister, glatter Haut und dem äußeren Erscheinungsbild eines genussfreudigen Lüstlings, wie eine reife, ja überreife Frucht. Dieser Eindruck war natürlich absolut irreführend, denn er war ebenso wenig genussfreudig und lustfähig wie der berühmte legendäre Stein im Bett. Wahrscheinlich waren ihm in dieser Hinsicht ein paar Brocken Eruptivgesteins sogar weit überlegen. Denn in seinem weichlichen verwöhnten Körper hauste eine kleinliche, verkniffene, unflexible Seele – wie eine Schnapperkrabbe in einer matschig gewordenen Melone. Der Himmel weiß, warum sie auf Sidri Akrak alle so sind: ein ganzer Planet voll erbärmlicher, entsetzlich sauertöpfischer Leute, die offenbar an Herz- und Darmverstopfung leiden. Und nun hatte Periandros die saftige Überreife verloren, und es war nur noch der bittere verdorrte akrakianische Kern übrig geblieben. An seiner Seite, also auf den Sesseln der Erzlords des Kaisers, saßen drei weitere Akrakis. Ich vermochte der totalen Machtübernahme meine Bewunderung nicht zu versagen, schüttelte aber auch innerlich den Kopf über die absolute Dummheit des Verfahrens. In der Regel nämlich verfügt der neue Kaiser über genügend Einsicht und Verstand und überträgt die Funktionen der Erzlords auf Bürger der verschiedenen bedeutenderen Planetensysteme, wodurch er sich selbst ein bisschen mehr politisches Gewicht verschafft. Nicht so dieser Kaiser, der die Unterstützung der anderen Welten nun wahrlich dringend nötiger hatte als irgendeiner der früheren Herrscher. O nein, dieser da fand so etwas nicht nötig: Er hatte sich ausschließlich mit Beratern seiner eigenen Rasse umgeben. Drei seiner leiblichen Brüder (soweit ich recht informiert bin, das heißt, sofern es auf Sidri Akrak so etwas wie Brüder gibt. Es wäre aber eigentlich passender gewesen, wenn solche Leute wie er aus Reagenzgläsern entstünden, wie Androiden). Jedenfalls, er war ziemlich niederschmetternd, dieser Anblick der vier verdrießlichen, sturen Gesichter, die mich da von dem Thronpodest herab anstarrten.
    »Dies ist ein Tag der Freude, Yakoub Rom«, sagte Periandros mit einer Stimme, in der aber auch nicht das kleinste Molekül von Freude mitschwang. Eine flache monotone Stimme, ein inhumanes Leiern. »Ihr seid Uns willkommen.«
    Ihr, Uns. Drunter tat er's nicht. Er hatte doch tatsächlich den Pluralis maiestatis wieder eingeführt!
    Der Wein stand für mich bereit. Ich nahm den Becher. Auch der Wein hatte kein Bouquet, ein dünnes, säuerliches Gewächs, ein schlechter Jahrgang. Beinahe hätte ich mich dazu hinreißen lassen und ihm gesagt, dass der königliche Willkommenstrunk traditionsgemäß süßfruchtig zu sein habe.
    Aber statt dessen vollzog ich die vorgeschriebenen Zeremonialgesten des Rom baro, wenn er vor den Kaiser tritt. Vielleicht glaubte Periandros ja, es geschähe ihm zu Ehren, aber ich tat damit nichts weiter, als meine Ehre zu stärken. Meine Königschaft nachdrücklich zu unterstreichen, nicht aber seinen Anspruch auf den Kaiserthron. (Doch das brauchte er ja nicht zu wissen.)
    Periandros brachte ein hastiges unsicheres kleines Lächeln zustande. So was wie wahre Gefühlsbewegung à la Periandros … seine Art, einen Freund brüllend und lachend zu umarmen, vermute ich.
    »Es herrschte große Verwirrung, nicht wahr?«, sagte er. »Ach, wie ich solches Durcheinander verabscheue!« (Und schon hatte er das Honorificum »WIR« vergessen?) »Doch die Zeit des Chaos naht sich dem Ende. Die Kaiserkrone ist auf Uns gekommen.« (Nein, er war wirklich nicht konsequent mit seinen Singularen und Pluralen!) »– und Wir werden Uns mit Unseren äußersten Kräften darum bemühen, Ruhe und Ordnung im Reich wiederherzustellen.« Ein selbstzufriedenes hinterhältiges Lächeln. »Wir haben bereits viel erreicht und geleistet. Beispielsweise haben wir Unseren Roma-Brüdern in ihrer problematischen Situation Hilfe geleistet.«
    Durch Einmischung. Durch die Ermordung meines Sohnes. O ja, was für eine wunderbare Hilfe!
    Ich sagte: »Glaubst du allen Ernstes, dass die Zeit der Verwirrung vorbei ist, Periandros?«
    Zischeln

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