Zigeunerstern: Roman (German Edition)
dann noch das unerwartete Comeback des dahingeschiedenen Lord Periandros über den Reichskommunikationskanal. Völlig unerwartet das Ganze. Die Meldungen über sein Ableben, informierte er uns, seien stark übertrieben. Er sei jetzt wie ehedem der Sechzehnte Kaiser, und er rufe alle loyalen Bürger auf, sich gegen die Lügen des verbrecherischen Lord Sunteil und gegen den abscheulichen Überfall des verbrecherischen Lord Naria auf den Kaiserpalast zur Wehr zu setzen.
Kurz: Das Fett war ins Feuer gespritzt, die Scheiße wirbelte durch die Luft, und in der Politküche waren einfach zu viele Köche, was bekanntlich noch den geschmeidigsten Brei verdirbt, den man dem Volk ums Maul schmieren will. Noch knapper: Der schlichte kleine Staatsstreich, den Periandros sich geleistet hatte, hatte sich zu einem Bürgerkrieg mit drei einander bekämpfenden Fraktionen entwickelt.
Gegen Mittag trafen in meinem Gästepalast in der Hauptstadt bruchstückhafte Meldungen über alle diese Vorgänge ein. Als erstes hörten wir die Rede Sunteils vom Starport, in der er uns betrübt mitteilte, Periandros sei tot, und er habe die Regierung übernommen. Ich saß mit Polarca, Damiano und Jacinto wie aufgespießt vor dem Bildschirm, und wir versuchten zu begreifen, was da eigentlich los sei. Dann wurde Sunteils Ansprache abrupt unterbrochen, der Sender schaltete zum Kaiserpalast hinüber, in den Großen Kaiserlichen Ratssaal. Man beglückte uns mit einer Nahaufnahme des für die Staatstrauer prächtig aufgebahrten Lord Periandros. Er war vom Hals bis zu den Zehen in glitzernden Brokat gehüllt, doch die Kamera verharrte lange auf seinem Gesicht, und es war unverkennbar das Gesicht von Periandros. Und er sah eigentlich ziemlich tot aus.
Inzwischen vernahm man draußen auf den Straßen beunruhigenden Kampfeslärm: Sirenen und Trillerpfeifen, Detonationen und Zusammenstöße.
»Also, mir gefällt das überhaupt nicht«, sagte Polarca. Und er wurde schubweise immer verwaschener. Ich begriff, er spukte unter Zwang, wie er dies stets tat, wenn seine innerliche Spannung zu stark anwuchs. Dann kobolzte er wie irre durch die Äonen und Lichtjahre wild herum, war aber niemals länger als eine Hundertstelsekunde bei jedem Pulssprung aus der anliegenden Gegenwartszeit fort. »Wir sollten schauen, wie wir von hier verschwinden, Yakoub«, sagte er zwischen zwei Zeithüpfern. »Diese wahnsinnig gewordenen Gaje fangen an, sich gegenseitig abzumurksen, und wir stecken da mitten drin.«
»Wir warten«, sagte ich. »Sunteil ist gescheit und geschickt genug, die Dinge rasch wieder unter Kontrolle zu bekommen. Wahrscheinlich versucht er gerade sämtliche loyalistischen Akrakis von Periandros zu ergreifen, und dann …«
»Da, schaut …«, sagte Damiano mit erstickter Stimme und deutete auf den Bildschirm.
Und dort sah man das glühende Gesicht Narias, plötzlich, die Purpurhaut, die scharlachroten Haare, die kalten, kalten Eisaugen, und er erklärte uns, er und nur er allein sei der echte Sechzehnte Kaiser … und lasst euch nicht von Betrügern und Ersatzführern irreführen … und alles steht bestens …
»Yakoub …«, Polarca flirrte wie ein Wahnsinniger als Spuk herum.
Dann rollte ein Roboter herein. »Mann am Tor, fordert Asyl«, meldete die Maschine. »Sollen wir ihn einlassen?«
Damiano lachte grob. »Wahrscheinlich Sunteil auf der Suche nach einem Versteck.«
»Er gab den Namen Chorian von Fenix an«, fuhr der Roboter ausdruckslos fort.
»Chorian?« Ich zertrümmerte fast den Kontrollknopf, als ich mir das Bild des Tor-Scanners holte. Ja, wirklich und wahrhaftig, da draußen stand Chorian, und er sah verschwitzt aus und war rot im Gesicht – und auch so, als hätte er Angst. Anscheinend war er allein. Er versuchte sich so dicht an die undurchdringliche Außenhaut der Torschleuse zu pressen wie nur möglich. Ich schickte die Roboter hinaus, damit sie ihn mir hereinbrächten.
»Durchsucht ihn nach versteckten Waffen«, rief Polarca.
»Meinst du nicht, dass das ein bisschen übertrieben wäre?«, fragte Damiano.
»Das ist ein toller Tag heute. Man muss damit rechnen, dass jeder zu allem fähig ist. Was wäre, wenn er gekommen ist, um Yakoub zu ermorden?«
Damiano wandte sich zu mir um. »Um Himmels willen, Yakoub«, plädierte er, »wenn der Junge die Absicht gehabt hätte, dich zu ermorden, hätte er das dann nicht einfacher auf Mulano machen können?«
»Durchsucht ihn trotzdem«, sagte ich. »Es kann nichts schaden. Und Polarca hat
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