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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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zusammenzuarbeiten, in welch gefährdeten Positionen wir beide uns befänden, wie großen Nutzen wir einander zu bringen vermöchten bei der Stabilisierung unseres jeweiligen Throns und bei unseren Bemühungen um den Genesungsprozess des ganzen Imperiums. Natürlich hatte ich den ganzen Sermon schon früher von ihm gehört. Aber dann sprach er von den gewaltigen Reinstitutionszeremonien, die er für mich abzuhalten gedachte, sobald mit meiner Hilfe die Rebellen aus dem Palast vertrieben sein würden: das Zepterauflegen der Anerkennung, den Adel aus allen Welten anwesend als Gäste und Zeugen des Ereignisses, ein grandioses, ein unvergessliches Schauspiel werde es werden. Er ließ den ganzen Sermon ablaufen, haargenau, Wort für Wort, als hätten wir uns nicht vor Tagen – vor wenigen Tagen erst – genau über diese ganze Prozedur bei meiner Audienz unterhalten. Und nun war ich fest überzeugt, dass ich es mit einem Dummy, einem Double, einem Doppelgänger zu tun hatte. Mit einem Spuk, einem Gespenst. Ergo: Wer immer oder was immer mich damals zur Audienz im Thronsaal empfangen hatte, es war eindeutig, dass diese Impersonifikation, mit der ich es hier zu tun hatte, nicht eingehend über den Inhalt der anderen Gespräche unterrichtet war.
    Und inzwischen erkannte ich auch die unübersehbaren Doppelgänger-Manifestationen: Schwund an Umrissschärfe, gröbere Identitätsdichte. Und so war es für mich – sogar über den Videoschirm – absolut klar, was da los war.
    Ich machte keinen Versuch, das Display zu unterbrechen. Ich ließ sie ihr Spielchen weitertreiben. Und inzwischen überlegte ich mir, welche strategischen Optionsmöglichkeiten ich hatte. Es wäre wenig sinnvoll gewesen, wenn ich ein Bündnis mit einem Doppelgänger einging. Ich rechnete mir aus, dass ich mich inzwischen sowieso bereits stark kompromittiert haben musste, als ich Periandros überhaupt anerkannte. Aber mit so was konnte man zurechtkommen. Schließlich war er damals der einzige verfügbare Kaiser in der Hauptstadt gewesen, als ich hier eintraf. Was hätte ich also damals tun sollen? Ihn ablehnen? Doch nun – wo Periandros mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit tot war, wo eine oder mehrere absurde Reduplikationen seiner Person (kurzlebige und im wesentlichen groteske Konglomerate) seinen Anspruch auf den Thron weiterverfochten, während ein rivalisierender Erz-Lord sich bereits bequem im Kaiserpalast eingenistet hatte und huldvoll die Ehrenbekundungen der Pairs des Imperiums entgegennahm …
    Doch, dachte ich. Ja, dachte ich, ich muss wohl diesen Doppelgänger irgendwie hinhalten und zu einer Übereinkunft mit Naria zu kommen versuchen.
    Periandros redete immer weiter und breitete die Bedingungen jener Großen Allianz vor mir aus, die wir gemeinsam schmieden würden. Ich aber, ich hörte kaum noch zu.
    Und dann flog die Tür meines Schlafgemachs auf, und Chorian stürzte herein. Ich fuchtelte wild mit der Hand, und er duckte sich außer Reichweite des Scanners. Dann kroch er auf dem Boden zu mir herüber, kritzelte etwas auf einen Zettel und reichte ihn mir, so dass die Kamera es nicht erfassen konnte.
    Herr, ignoriert diese Kreatur! Periandros ist eindeutig tot, und das da ist nur ein Doppelgänger. Übrigens ist Lord Sunteil da und möchte sofort mit Euch sprechen.
     
     
    10
     
    Sunteil? Hier? In meinem Palast?
    Ich muss schon außergewöhnlich überrascht ausgesehen haben, denn sogar der salbadernde akrakische Doppelgänger auf dem Bildschirm bekam meine Reaktion mit und fragte: »Etwas nicht in Ordnung?«
    »Ach, nur eine kleine Magenverstimmung – die späte Stunde – ich werde Eure Vorschläge überdenken müssen – Euch zu einem späteren Zeitpunkt wieder anrufen …«
    »Ihr werdet Uns wohl kaum antreffen können.«
    »Nun, dann ruft Ihr doch mich an. Um die Mittagszeit. Geht das?«
    Ich schaltete den Bildschirm aus und wandte mich Chorian zu.
    »Ist das wahr? Sunteil ist hier?«
    »Inkognito, ja. Er ist vor fünf Minuten eingetroffen. Und er besteht darauf, dass er nur mit – dir sprechen will.«
    »Hol ihn rein, aber schnell!«, sagte ich.
    Ein alter Mann trat in mein Schlafzimmer. Jemand hatte eine Meisterleistung an Verkleidung bei ihm zuwege gebracht. Er sah wie mindestens zweihundertfünfundzwanzig Jahre aus und so, als wären es Jahre von unabsehbaren Folgen Rachitis, Lähmung und scheußlicher seniler Hinfälligkeit gewesen … eine verhutzelte, vertrocknete, krumme Schrumpfgestalt, wackelnd, mit Lähmungssymptomen,

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