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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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»Ihr beabsichtigt doch gewiss nicht, irgendwelche Drohungen auszudrücken, Lord Sunteil.«
    »Klang es denn wie eine?«
    »Ich bin der legitime König der Roma, in freier Wahl vom Großkris erwählt und vom Fünfzehnten Kaiser als König anerkannt. Der Sechzehnte Kaiser, wer immer er sein mag, verfügt über keinerlei Möglichkeit, diese Anerkennung rückgängig zu machen.«
    »Oh, aber man hatte mich dahingehend informiert, Yakoub, dass du auf den Thron verzichtet hast und dass dein Sohn Shandor vom Großen Kris der Roma gewählt wurde. Und dass kein Geringerer als Lord Naria höchstselbst, in Stellvertretung des Fünfzehnten, diesem deinen Sohn Shandor das Zepter der Legitimität auflegte. Ich würde also nichts weiter tun müssen, als Narias Handlung zu ratifizieren, sobald ich Kaiser geworden bin.«
    »Aber Shandor ist tot«, erinnerte ich.
    »Nun, dann stünde der Thron der Roma leer. Ich würde einfach einen Nachfolger bestimmen.«
    »Und damit einen eklatanten Versuch der Einmischung in die Souveränität der Roma riskieren?«
    »Ach, Yakoub, bemüh dich doch nicht um den Anschein von Naivität! Es war noch nie sehr überzeugend, wenn du es versuchtest. Als Periandros dich aus Shandors Kerker befreite und in die Königswürde wieder einsetzte, was war denn das anderes als eine grobe Einmischung in die Roma-Unabhängigkeit? Ich konzediere, dass ihr Roma einen bestimmten Machteinfluss auf uns ausübt, aber wir sind schließlich auch nicht ganz ohne eigene Macht und Stärke. Es ist euch doch bekannt, dass der Zigeunerkönig nur dank der Gnade des Kaisers amtieren kann.«
    »Und wie es den Anschein hat, kann der Kaiser nur dank der gnädigen Zustimmung des Königs sein Amt erfüllen.«
    »Genau.« Wieder ließ Sunteil ein Lächeln über das Gesicht gleiten. Und diesmal war es ein seltsam gütiges, ein sonderbares Lächeln. »Wozu also von Drohungen sprechen? Ich hege nicht den geringsten Wunsch, mich in die Unabhängigkeit und Souveränität der Roma einzumischen, an deinem Recht auf den Thron oder irgend etwas sonst herumzudeuteln. Ich will nur eines: Ich will Kaiser sein. Und ich will, dass du mir dabei hilfst, Yakoub.«
    »Ich habe es bereits gesagt. Das brächte Gefahren für mich mit sich. Und ich sehe keinen Vorteil darin, außer dass du mir gestatten würdest, das zu behalten, was mir bereits kraft absolutem Recht gehört.«
    »Oh, etwas gäbe es da schon, Yakoub. Es winkt eine Belohnung.«
    »Ich schlage vor, du nennst sie mir.«
    »Der Stern der Roma«, sagte Sunteil. »Eure Zigeunersonne. Was hältst du davon? Gib mir deine Unterstützung – und du kannst ihn haben – den Zigeunerstern.«
     
     
    11
     
    Ich musste den Blick abwenden, damit Sunteil nicht sähe, wie verdattert ich war. Die Zigeunersonne? Unser Roma-Stern? Woher kannte er überhaupt den Namen? Wie kam es, dass ein Lord des Imperiums vom Stern der Roma sprach?
    Mich überkam einen Augenblick lang ein entsetzliches Schwindelgefühl. Hitze stieg mir ins Gesicht, meine Knie gaben nach, ein plötzlicher bestürzender Terror bohrte sich mir ins Herz. Einen winzigen Augenblick lang glaubte ich, ich müsste unter dem Peitschenhieb zusammenbrechen. Eine sehr schlimme Erfahrung, ein Gefühl, wie wenn man durch eine verborgene Falltür im Boden stürzt. Dann bekam ich meinen Adrenalinausstoß wieder in den Griff und setzte meine Angst in wütende Aggression um, die zwar ebenfalls nicht sehr nutzbringend, dafür aber doch weniger hirntötend wirkte. Wer – in Gottes Namen – hatte Sunteil vom Zigeunerstern erzählt? Wer war es, der unser kostbarstes Geheimnis diesem aalglatten Gajo verraten hatte? Ich würde diesen Verräter mit meinen eignen Händen erwürgen. Aber wer konnte es sein? Ich stierte wild durchs Zimmer. Chorian! Chorian! Chorian! Aber natürlich! Sunteils ganz persönlicher kleiner Leib-Rom, sein kleiner Zigeunerlaufbursche und Helfer – der versuchte sich bei seinem Gajo-Herrn anzuschmeißen, indem er ihm die tiefsten Geheimnisse unseres Volkes preisgab!
    Ich starrte Chorian mit einem Blick an, von dem ich mir wünschte, er werde ihm die Seele ausbrennen. Er wurde blutrot im Gesicht. In seinen Augen zeigte sich ein Ausdruck von herzzerreißendem Elend – Seelenqual? Bestürzung? Ein sehnsüchtiges Verlangen nach Vergebung, doch er wusste zugleich, dass sie ihm niemals zuteil werden konnte?
    Als ich mich etwas beruhigt hatte, wandte ich mich wieder Sunteil zu und sagte mit gepresster Stimme: »Was weißt du über die

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