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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ziemlich dicht an der äußersten Grenze unserer Reichweite als Geisterfahrer. Und es ist schwer für uns, dort genauere Einzelheiten auszumachen, denn, wie ihr gehört habt, je weiter zurück in die Vergangenheit man geistert, desto dichter überzieht sich alles mit einer Nebeldecke. Aber das hält uns nicht ab, wir geistern trotzdem zurück.
    Und Syluise – ihr goldenes Haar flatternd im Ägäiswind, während sie in der Prunkkarosse irgendeines atlantischen Adeligen dahinfährt …
    Keine Frau in meinem Leben hat je größere Macht über mich ausgeübt als Syluise. Auf Gedeih oder Verderben. Nie werde ich ihrem Zauber entrinnen. Es macht mich zittern vor Zorn, dass sie eine solche Macht über mich hat, und dennoch! – könnte ich die Vergangenheit ändern und jede Spur von diesem Weib aus merhem Leben löschen, weiß der Himmel, ich würde es nicht tun.
    Ich begegnete ihr auf Estrilidis. Vor – fünfzig Jahren? Ja, so ungefähr. Cesaro o Nano war noch König, ich gehörte zum Diplomatischen Corps der Gesandtschaft. Eine Welt voller feuchtheißer Atmosphäre war dieses Estrilidis, dichte jungfräulich-unberührte Wälder, alle erdenklichen fremdartigen Geschöpfe. Die Katzen haben dort zwei Schwänze, daran erinnere ich mich. Und die Insekten – ach, diese Insekten, ach, was waren diese Insekten für erstaunliche Wesen! Wie Rubine auf Beinen, wie Smaragde, wie Diamanten mit blauem Feuer. Eines Abends beobachtete ich sie dabei, wie sie die Wände meines Logis hinaufmarschierten, eine prächtige Prozession mächtiger buntglitzernder Käfer, als ich auf einmal etwas noch Verblüffenderes sah: eine goldene Frau, hüllenlos wie der junge Morgen, schwebte an meinem Fenster vorbei. Vollkommene rosa Brüste, üppige Hüften, lange geschmeidige Beine. Sie phosphoreszierte, leuchtete wie ein Gespenst, wirklich. Aber wie hätte sie ein Gespenst sein können? Sie war ganz eindeutig keine Rom, nicht bei diesem glitzernden blonden Haar, nicht mit solchen bestürzenden blauen Augen. Und nur die Roma können geisterwandern. Aber natürlich war sie eine Rom und hatte sich nur aus purer übermütiger Eitelkeit völlig in diese strahlende Gaje-Gestalt umwandeln lassen. Aber das entdeckte ich erst später. Aber dennoch, nein, sie war kein Gespenst. Es war die echte Syluise, die ich damals erblickte, die sich durch irgendwelche Magie in der Schwebe hielt. Sie winkte mir, rief mich stumm. Und ich folgte ihr in die Nacht. Sie – gleitend-schwebend wie ein Irrlicht, ich, hinter ihr herstolpernd. Sie lächelte. Ich … ich glotzte, starrte, stierte sie ehrfürchtig an.
    Mitten im tiefsten Wald hielt sie inne, wandte sich zu mir zurück, und als sie sich in meine Arme stürzte, da spürte ich, dass ich mir eine Feuerflamme eingefangen hatte. Engumschlungen sanken wir auf den feuchtwarmen Boden. Sie lachte; sie durchfurchte meinen nackten Rücken mit ihren Fingernägeln; sie bog wie eine Katze geschmeidig den Hals und Rücken.
    »Möchtest du, dass ich aus dir einen König mache?«, fragte sie.
    Regen fiel herab, aber unsere Körper waren so glühendheiß, dass die Tropfen verdunsteten, ehe sie unsere Haut berühren konnten. Es war wie ein Fieber.
    Und wieder lachte sie. Meine Hände bedeckten ihre Brüste, die Brustwarzen waren fest und heiß, ich spürte ihr Pulsieren in den Handflächen. Ich fuhr streichelnd über die seidigen Schenkel, und sie taten sich für mich auf. Und dann umschlang sie mich. Ach, die süße Glut dieser Umarmung! Ich schloss die Augen und sah hinter den Lidern das Licht von tausend verschiedenfarbigen Sternen. Und ich fühlte, wie mich die Glut dieser tausend Sonnen versengte. Man hätte denken können, sie sei meine erste Frau, so tieferschütternd war dieses Erlebnis für mich. Und dabei war ich damals so mehr oder weniger hundertzwanzig Jahre alt. Doch in diesem Erlebnis, das mich traf wie ein Donnerschlag, wurden alle Frauen, die es vor ihr gegeben hatte, in meinem Gedächtnis ausgelöscht, alle, die ich in meinem langen Leben gekannt hatte. Es gab nur noch diese, die einzige Frau. Wer sie war? Spielte das eine Rolle? Bekümmerte es mich? Ich hatte mich völlig in ihr verloren.
    »Ich bin Syluise«, sagte sie später.
    Und damit fing es an. Als ich nach Galgala zurückkehrte, begleitete sie mich. Als ich ein wenig später König wurde, wollte ich sie zu meiner Gemahlin machen; aber als ich mich zu ihr begab, um derartige politisch wichtige Dinge mit ihr zu besprechen, war sie verschwunden, und es dauerte ein

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