Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
radioaktivem, ionisiertem metallischen Kupfer. Das hat ihnen alle Sensoren lahmgelegt. Er fährt jetzt blind in einem Metallsarg durch die Gegend. Genau wie wir.«
    Sie lachte. »Nur, daß die alte Rose noch einen Trick im Ärmel hat, Baby. Die Investierer. Sie werden mich suchen. Ihn wird niemand suchen. Und ich habe noch meinen Stein.«
    Sie saß schweigend im Dunkeln, und ihre künstliche Gelassenheit ließ sie an Dinge denken, die undenkbar waren. Das Tier regte sich unbehaglich und schnüffelte an ihrer Haut. Es war unter ihren streichelnden Händen etwas ruhiger geworden. Sie wollte nicht, daß es litt.
    Sie legte ihm die freie Hand über den Mund und verdrehte ihm den Hals, bis er brach. Die künstliche Schwerkraft hatte ihre Muskelkraft bewahrt. Das Tier hatte keine Chance, sich zu wehren. Ein letztes Zittern fuhr durch seine Glieder, während sie es im Dunkeln hochhob und nach dem Herzschlag tastete. Ihre Fingerspitzen spürten den letzten Schlag hinter den dünnen Rippen.
    »Nicht genug Sauerstoff«, sagte sie. Zerschmetterte Emotionen begannen sich zu regen und scheiterten. Sie hatte noch reichlich Unterdrücker. »Die Teppichalgen werden die Luft einige Wochen sauberhalten, aber ohne Licht werden sie sterben. Und ich kann sie nicht essen. Nichts zu essen, Baby. Die Gärten sind weg, und selbst wenn sie nicht zerschossen sind, könnte ich die Lebensmittel nicht hereinholen. Ich kann die Roboter nicht bedienen, ich kann nicht einmal die Schleusen öffnen. Wenn ich lange genug lebe, kommen sie und holen mich heraus. Ich muß meine Chancen verbessern. Das ist nur vernünftig. In einer solchen Situation muß man vernünftig sein.«
    Wenn die Schaben – oder wenigstens alle, die sie im Dunkeln fangen konnte – verbraucht waren, mußte sie lange Zeit in der Dunkelheit fasten. Dann würde sie das nicht verwesende Fleisch ihres Haustieres essen und in ihrem halb betäubten Zustand hoffen, daß es sie vergiftete.
    Als sie das blendende blaue Lichte der Investierer vor der zerschmetterten Schleuse aufblinken sah, kroch sie auf knochigen Händen und Knien hinüber und schirmte die Augen ab.
    Der Investierer trug einen Raumanzug, um sich vor Bakterien zu schützen. Sie war froh, daß er den Gestank ihrer pechschwarzen Gruft nicht riechen konnte. Er sprach in der flötenden Sprache der Investierer, doch ihr Übersetzer war tot.
    Sie glaubte für einen Moment, daß sie einfach wieder ablegen und sie halbverhungert, geblendet und kahlköpfig in ihrem Bett aus ausgerissenem Fiberglashaar liegenlassen würden. Doch sie nahmen sie an Bord, fütterten sie mit brennenden Keimtötern und versengten ihre Haut mit bakterientötenden Ultraviolettstrahlen.
    Sie hatten den Edelstein, aber das wußte sie schon. Was sie wollten (und das war schwer) – was sie wissen wollten, war, was mit ihrem Maskottchen geschehen war. Es war schwer, ihre Gesten und ihre armseligen Brocken menschlicher Sprache zu verstehen. Sie hatte sich selbst etwas Schlimmes angetan, das wußte sie. Überdosierung im Dunkeln. Sie hatte im Dunkeln mit dem großen schwarzen Käfer der Angst gekämpft, der die dünnen Fasern ihres Spinnennetzes durchbrach. Sie fühlte sich sehr schlecht. Irgendwo in ihr war etwas nicht in Ordnung. Ihr unterernährter Bauch war gespannt wie eine Trommel, und ihre Lungen fühlten sich an, als würden sie zerquetscht. Mit ihren Knochen war etwas nicht in Ordnung. Sie konnte nicht weinen.
    Sie bemühten sich um sie. Sie wollte sterben. Sie wollte ihre Liebe und ihr Verständnis. Sie wollte –
    Ihr Hals wurde eng. Sie konnte nicht sprechen. Sie legte den Kopf zurück, und ihre Augen zogen sich im brennenden Licht der Deckenlampen zusammen. Sie hörte krachende Geräusche, als ihr Unterkiefer sich aushakte, doch sie empfand keinen Schmerz.
    Sie hörte auf zu atmen. Es war eine Erlösung. Krampflösende Mittel pochten in ihrem Bauch, ihr Mund füllte sich mit einer Flüssigkeit.
    Etwas Lebendiges, Weißes drang aus ihren Lippen und Nasenlöchern. Ihre Haut kitzelte bei der Berührung, dann strömte es über ihre Augäpfel, versiegelte und beruhigte sie. Eine umfassende Gelassenheit und Kühlheit nahm sie auf, während Welle auf Welle der durchsichtigen Flüssigkeit sie einhüllte, über ihren Körper spülte und ihn umgab. Sie entspannte sich, erfüllt von sinnlicher, schläfriger Dankbarkeit. Sie war nicht hungrig. Sie hatte erheblich mehr Masse, als sie brauchte.
    Acht Tage später durchbrach sie die spröden Platten ihres Kokons,

Weitere Kostenlose Bücher