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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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und manchmal regten sich die Knoten darin.
    Sie schlief, als das Wesen aus dem Kokon brach. Doch sie hatte Monitore aufgestellt, um rechtzeitig gewarnt zu werden, und eilte sofort hin.
    Der Kokon spaltete sich. In den brüchigen überlappenden Platten erschien ein Riß, und ein warmer Tiergeruch drang in die wiederaufbereitete Luft.
    Dann tauchte eine Pfote auf: eine winzige, fünffingrige Pfote, die mit einem glitzernden Pelz bedeckt war. Eine zweite Pfote folgte ihr, und dann packten die beiden Pfoten die Kanten des Spaltes und rissen den Kokon auf. Das Wesen kam ans Licht, trat die Hülle mit einer sehr menschlichen Bewegung beiseite und grinste.
    Es sah aus wie ein kleiner Affe, klein, weich und mit glänzendem Fell. Hinter menschlich grinsenden Lippen waren winzige menschliche Zähne. Es hatte kleine, weiche Babyfüße an den Enden seiner runden, federnden Beine, und es hatte die Flügel verloren. Seine Augen waren gefärbt wie ihre Augen. Die weiche Säugetierhaut in seinem runden Gesicht hatte den rosigen Ton perfekter Gesundheit.
    Es sprang in die Luft, und sie sah eine rosa Zungenspitze, als es laut plappernd menschliche Silben von sich gab.
    Es machte einen Schritt und umarmte ihr Bein. Sie war erschreckt, erstaunt und tief erleichtert. Sie tätschelte das weiche, schimmernde Fell auf dem kleinen, harten Kopf.
    »Teddy«, sagte sie. »Ich bin froh. Sehr froh.«
    »Wa wa wa«, machte das Tier, mit zirpender Kinderstimme ihren Tonfall imitierend. Dann ging es zum Kokon zurück, und begann, ihn sich grinsend mit beiden Händen in den Mund zu stopfen.
    Sie verstand jetzt, warum die Investierer dieses Maskottchen so widerstrebend aus den Händen gegeben hatten. Es war ein Handelsartikel von phantastischem Wert. Ein genetisches Artefakt, fähig, die emotionalen Bedürfnisse und Wünsche einer fremden Rasse zu erkennen und sich binnen weniger Tage darauf umzustellen.
    Sie begann sich zu fragen, warum die Investierer das Wesen überhaupt abgegeben hatten; falls sie die Fähigkeiten ihres Schoßtieres überhaupt verstanden. Gewiß bezweifelten sie, daß Spider Rose die komplizierten Daten, die sie mitgeliefert hatten, verstanden hatte. Höchstwahrscheinlich hatten sie das Maskottchen von anderen Investierern in reptilischer Form erworben. Es war sogar möglich (der Gedanke machte ihr Angst), daß es älter war als die ganze Investiererrasse.
    Sie starrte es an: sie blickte in die klaren, arglosen, vertrauensvollen Augen. Das Wesen packte mit kleinen, warmen, sehnigen Händen ihre Finger. Sie konnte einfach nicht widerstehen und nahm es in den Arm, und es brabbelte freudig. Ja, es konnte ohne weiteres schon Hunderttausende von Jahren leben und seine Liebe (oder äquivalente Emotionen) unter Dutzenden verschiedener Rassen verteilt haben.
    Und wer würde einem solchen Wesen schon weh tun? Selbst die armseligsten und am stärksten verhärteten Angehörigen ihrer eigenen Rasse hatten geheime Schwächen. Sie erinnerte sich an Geschichten von Wachen in Konzentrationslagern, die ohne mit der Wimper zu zucken Männer und Frauen abschlachteten, aber mit Tränen in den Augen im Winter hungrige Vögel fütterten. Furcht bringt nur Furcht und Haß hervor, aber wie konnte man Furcht oder Haß gegen dieses Geschöpf wenden, wie konnte man seinen unglaublichen Kräften widerstehen?
    Es war nicht intelligent; es brauchte keine Intelligenz. Außerdem war es geschlechtslos. Die Fähigkeit, sich fortzupflanzen, hätte seinen Wert als Handelsgegenstand gemindert. Außerdem bezweifelte sie, daß etwas so Kompliziertes in einem Schoß gewachsen war. Die Gene waren mit Sicherheit in einem unvorstellbaren Labor, Spirale um Spirale, künstlich aufgebaut worden.
    Tage und Wochen vergingen. Seine Fähigkeit, ihre Stimmungen zu erfassen, war beinahe wunderbar. Wenn sie es brauchte, war es immer zur Stelle, und wenn sie es nicht brauchte, verschwand es. Manchmal hörte sie es mit sich selbst schnattern, wenn es seine seltsamen akrobatischen Kunststücke aufführte oder Schaben jagte und fraß. Es war nie bösartig, und bei den seltenen Gelegenheiten, wenn es Essen herumwarf oder etwas umstieß, räumte es unauffällig wieder auf. Es ließ seine kleinen, unaufdringlichen Fäkalklöße in den gleichen Recycler fallen wie sie.
    Das waren die einzigen Anzeichen für Gedanken, die über rein tierische Gehirnprozesse hinausgingen. Einmal, ein einziges Mal nur hatte es sie nachgeahmt und absolut perfekt einen Satz wiederholt. Sie war schockiert

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