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Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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Praktikant wirkte morgens oft, wenn er ins Büro kam und
nicht am Abend zuvor bei Freunden oder in einer Kneipe versackt war, wie ein Top-Model,
das gerade im Begriff war, sich auf den Laufsteg zu begeben. Wenn er Theo betrachtete,
wunderte er sich nicht, dass viele Frauen über das gepflegte und geschmackvolle
Aussehen homosexueller Männer ins Schwärmen gerieten. Er lächelte dem Praktikanten
zu, der, einen feinen Duft verströmend, an ihm vorüberglitt und strich sich unwillkürlich
über das eigene Haar. Sogleich bereute er, am Morgen nicht etwas mehr Wert auf das
eigene Erscheinungsbild gelegt zu haben.
    Seine Chefin
sah nur kurz auf, als er eintrat, und sie grüßte erstaunlich knapp. Irritiert blieb
er in der Tür stehen. »Bin ich zu früh?«
    Es dauerte
einen Moment, bis er ein »Nein« vernahm. »Setz dich«, forderte sie ihn schließlich
auf und fügte hinzu: »Ich bin gleich soweit.« Sie kritzelte etwas auf ein Blatt
Papier, und er hörte nichts als das schabende Geräusch des Stiftes. Während sie
schrieb, betrachtete er sie. Alles an ihr wirkte dynamisch. Das markante Kinn, das
von Ehrgeiz und Energie sprach, die gerade Haltung, das akkurat geschnittene, gerade
herabfallende, halblange blonde Haar. Er war sich sicher, dass die meisten Männer
Probleme mit ihrer Stärke hatten, und er selbst musste sich eingestehen, dass er
sich hin und wieder etwas mehr Weichheit an ihr wünschte. Aber wäre sie dann auch
noch eine gute Chefin? Er wusste, dass sie nicht liiert war, zumindest nicht in
einer festen Beziehung lebte.
    Irgendwann
legte sie den Stift aus der Hand und sah auf. »Wann bist du heute Morgen zur Arbeit
gekommen?«
    »Gegen halb
elf.«
    »Ich finde
das ein bisschen spät.« Ihr Gesichtsausdruck war ernst.
    »Ja, das
ist es«, gab er zu. »Aber ich hatte Gründe. Es tut mir leid.«
    Sie lehnte
sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück und betrachtete ihn. »Und was war am Freitag
los? Da warst du um kurz nach halb eins verschwunden und bist danach nicht wieder
aufgetaucht, von den anderen Tagen der letzten zwei Wochen will ich gar nicht reden.
Ich nehme an, auch dafür hast du gute Gründe?«
    »Es tut
mir wirklich leid.« Florian überlegte, was er zu seiner Entschuldigung vorbringen
konnte.
    »Du weißt,
dass ich dich sehr schätze, aber deine Arbeitsmoral lässt in der letzten Zeit zu
wünschen übrig. Jeder Redakteur bei Profi Entertainment kann seine Arbeitszeit
selbst einteilen und auch selbst entscheiden, wann und wie viel er arbeitet, aber
so selten wie du war in den vergangenen Wochen keiner meiner Mitarbeiter im Büro.
Ich bezweifle sehr, dass da noch das Ergebnis stimmt, und wenn ich mir Curt anhöre,
scheinen meine Zweifel berechtigt zu sein.« Sie fixierte ihn. »Ich habe immer darauf
vertraut, dass die Freiheiten, die ich euch gewähre, nicht ausgenutzt werden.«
    Florian
biss sich auf die Lippen. Was hatte Curt ihrer Chefin erzählt? »Ich versichere dir,
dass nichts mir ferner liegt, als dich auszunutzen.«
    »Gut.« Sie
griff nach dem Stift, den sie zwischen ihren schmalen Fingern hin und her drehte.
»Was macht die Sendung? Hast du inzwischen alle Talkgäste unter Vertrag?«
    »Noch nicht,
leider.« Florian seufzte. Er musste dringend die Formalitäten erledigen, es war
ihm bewusst, dass er in dieser Beziehung geschlampt hatte. »Ich kümmere mich sofort
darum«, erwiderte er etwas kleinlaut und fügte hinzu: »Heute Nachmittag habe ich
alles unter Dach und Fach. Definitiv.« Er dachte daran, dass er noch einiges Drehmaterial
für die Einspielfilme sichten musste, und ab 16 Uhr hatte er dafür schon einen Schnitttermin
gebucht. Profi Entertainment hatte drei eigene Schnittplätze im Keller und
beschäftigte fest angestellte Cutter, was die Sache in der Regel erleichterte. Dennoch
würde es ein langer Abend werden, wie immer einen Tag vor Sendung, die sie live
aus der Vulkanhalle ausstrahlten.
    »Ich muss
mich auf dich verlassen können, wir dürfen uns keine schlechte Quote erlauben, Barrick
wartet nur darauf. Die Sendung muss top werden, du weißt das.«
    Florian
nickte. Sie brauchten dringend bessere Quoten. Bei den letzten drei Sendungen hatte
der Marktanteil unter 15 Prozent gelegen, was eindeutig zu wenig war und den Fortbestand
der Sendung gefährdete. Sie mussten dem Unterhaltungschef beim Sender wieder Erfolge
präsentieren, ansonsten würde in Kürze die Programmdirektion intervenieren, und
was das bedeutete, war ihnen allen klar. Jeder aus ihrem Team wusste, wie

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