Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
zurück und dachte an die bevorstehenden Vertragsverhandlungen
mit dem Sender. Die Wörter Quote und Marktanteil hingen über ihr wie ein
Damoklesschwert, von ihnen hing die Zukunft des Unternehmens ab. Profi Entertainment produzierte neben Diens-Talk zwar noch andere Sendungen, darunter Event-Shows
zu aktuellen Anlässen wie Halloween, Muttertag oder Weihnachten, aber Diens-Talk war ihre Haupteinnahmequelle. Sie wurde wöchentlich ausgestrahlt, und umso wichtiger
waren hier gute Quoten. Sie schürzte die Lippen, schlug schwungvoll die Beine übereinander
und entschied: »In Ordnung. Aber spätestens kommenden Montag will ich brauchbare
Ergebnisse haben.«
Die anschließende Redaktionskonferenz
verlief ohne größere Turbulenzen. Der Ablaufplan wurde abgesegnet, und selbst Hermann
Barrick verhielt sich erstaunlich zahm, bis auf unwesentliche Veränderungen im Programmablauf
war er mit allem einverstanden gewesen. Zufrieden und mit einem leicht triumphierenden
Seitenblick auf Curt kehrte Florian in sein Büro zurück und widmete sich den restlichen
Schnittplänen für die Zuspielfilme. Innerhalb von zwei Stunden hatte er sie fertiggestellt,
und ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte ihm, bis zum Schnitt noch Zeit für eine
Recherche zum Thema Adoptionsmafia in Guatemala zu haben. Er zog eine Tüte mit Gummibärchen
aus der Schublade, schob sich eine Handvoll davon in den Mund, und dann begann er
zu googeln.
Montag, 18. Juli, abends
Florian sank müde auf sein Sofa,
das in unmittelbarer Nähe des Fensters stand, und lauschte dem Klang von Janas Gitarre.
Sie spielte Corelli, begleitet von ihrer Freundin, der Violinistin. Die CD war der
Mitschnitt einer Aufführung, die sie im Winter in der Maternuskirche in Rodenkirchen
gehabt hatten. Seine Mutter hatte den Kontakt zum Pfarrer hergestellt und die Veranstaltung
initiiert. Er seufzte und nahm einen Schluck Suze gemischt mit Tonic Water. Eine
französische Freundin brachte ihm immer eine Flasche aus Frankreich mit. Die Eiswürfel
in seinem Glas klimperten, und er lauschte versonnen dem Geräusch.
Es war nach
23 Uhr, zu spät, um es noch einmal bei Sam zu probieren. Er hatte ihm bereits drei
Nachrichten auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen und um dringenden Rückruf gebeten,
doch Sam hatte sich bislang nicht gemeldet. Florian ärgerte sich darüber, denn schließlich
hatte Sam ihn erst vor kurzem um seine Hilfe gebeten. Außerdem brannte er darauf,
die Hintergründe von Luz’ Herkunft in Erfahrung zu bringen. Er musste ihn unbedingt
sprechen. Warum reagierte er nicht?
Florian
streckte die Beine aus und stopfte sich ein Kissen in den Rücken. Er war allein
in seiner Wohnung und er genoss die Ruhe, die wieder eingekehrt war. Jana war nach
der Arbeit direkt zu sich nach Hause gefahren, und Dele war bereits gestern Abend
mit Gino zurück in den Zirkus gekehrt. Die Durchsuchung war vorüber, und die Gefahr,
von der Kripo entdeckt zu werden, war nur noch gering. Dele wollte in Ginos Nähe
sein. Jana hatte ihr für den Fall, dass der Fremde sie noch einmal bedrohte, ihr
eigenes Pfefferspray in die Hand gedrückt. »Nimm es, du kannst es gut gebrauchen«,
hatte sie gesagt. Seit Jahren trug sie es immer bei sich.
»Brenzlig
kann es vor allem dann für dich werden, wenn Gino in der Vorstellung ist«, hatte
sie hinzugefügt, und Dele hatte die kleine Spraydose dankend angenommen.
Florian
vermittelte die Tatsache, dass sie das Spray bei sich trug, ebenfalls ein Gefühl
der Sicherheit, denn ganz wohl war ihm bei dem Gedanken daran, dass Gino nicht immer
in Deles unmittelbarer Nähe sein konnte, nicht. Er schloss die Augen und lauschte
der Musik und dachte daran, wie der Italiener sie angesehen hatte, die Zukunft im
Blick. Er sah seine Hand, die sich so zupackend wie selbstverständlich auf ihren
Arm gelegt hatte, seinen Körper, der ihr so zugeneigt gewesen war. Florian war sich
sicher, dass Dele ihn mochte, seinen Geruch nach Sägemehl, die Festigkeit, mit der
er auf der Erde stand.
Er starrte
auf das Telefon, doch es blieb stumm. Die Musik war zu Ende, aber er war zu träge,
um aufzustehen und etwas anderes aufzulegen. Etwas umständlich, ohne seine Position
zu verändern, angelte er vom Sofa aus nach dem Handy und wünschte Jana per SMS eine
gute Nacht. Ginos Verliebtheit erinnerte ihn an seine eigenen Gefühle, und er nahm
sich vor, am Wochenende im Kölner Blick die Wohnungsanzeigen zu studieren.
Auch Sylvia
Gerlach schrieb er eine Nachricht, er kündigte
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