Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
an, dass er sich nach der Sendung,
also Mittwoch früh, bei ihr melden würde.
Schließlich
streckte er die Hand nach dem Poststapel aus, den er auf den kleinen Tisch neben
der Couch abgelegt hatte. Schon wieder ein Brief von der GEZ. Sie wollten wissen,
welche Rundfunkgeräte sich in seinem Hausstand befanden, und ob sich seine Geräteausstattung
seit dem vergangenen Jahr verändert hätte. Genervt legte er das Schreiben beiseite,
vermutlich würde er es gar nicht erst beantworten.
Er ließ
den Kopf auf das Kissen sinken. Sollte er mit Jana zusammenziehen oder nicht? Fest
stand, dass es sein Daseinsgefühl völlig verändern würde, eine Situation wie jetzt,
ungestört, von niemandem bedrängt oder gefordert, wäre vermutlich kaum noch möglich.
Wie zum Hohn meldete sich plötzlich der Schmerz in seinem Backenzahn zurück. Florian
verzog das Gesicht.
Auf dem
Tisch neben dem Sofa war eine Ansichtskarte liegen geblieben, darauf ein Motiv,
wie es sie zu Hunderten gab. Azurblaues Meer, ein langer Sandstrand mit Liegen und
bunten Schirmen, im Vordergrund eine blonde Schönheit mit Strohhut, die in die Kamera
winkte. Alanya las er im rechten unteren Bildrand, und lächelnd dachte er
an den Rentner. Er griff sich die Karte und begann zu lesen. Mit bemerkenswert schwungvoller
Schrift sendete Klaus Hamacher herzliche Grüße aus dem türkischen Badeort. Er schwärmte
von einer Urlaubsbekanntschaft, die ihn verjünge und sein Leben beschleunige, und
er kündigte an, dass er sich nach seiner Rückkehr bei Florian melden würde. Er schrieb,
er wolle ihm gern noch etwas zum Thema Decksteiner Weiher erzählen.
Dienstag, 19. Juli, nachmittags
Das Tachometer zeigte 70 km / h, und er
wusste, dass er zu schnell fuhr. Die Geschwindigkeitsgrenze auf der Rheinuferstraße
war von 70 km / h auf 50 km / h gesenkt worden, aber in diesem Moment war ihm das völlig egal. Sollten
sie ihn doch blitzen. Er lockerte die Krawatte, öffnete den Kragen und drehte die
Klimaanlage auf.
Obwohl die
Hitze ihm zu schaffen machte, wollte er noch eine Runde um den Decksteiner Weiher joggen, und anschließend würde er zu ihm fahren. Zu ihm, der einmal sein
Freund gewesen war und den er jetzt als Feind fürchten musste. Ja, er war zu seinem
Feind geworden. Langsam murmelte er das Wort vor sich hin und ließ es sich auf der
Zunge zergehen. F e i n d. Er schluckte und er spürte, wie sich sein Unterkiefer
verkrampfte. Ihm blieb keine andere Wahl. Er musste es tun und er durfte keine Zeit
mehr verlieren.
Auch das
Bild der Guatemaltekin geisterte durch seinen Kopf. Die Situation hatte sich jedoch
verändert, und er musste Prioritäten setzen. Es war wichtig, einen kühlen Kopf zu
bewahren und sich zu sagen, dass das Wichtigste zuerst erledigt werden musste.
Zweimal
hatte sie Glück gehabt, verdammtes Glück, aber ein drittes Mal würde sie ihm nicht
davonkommen, das musste doch zu bewerkstelligen sein. Er grübelte, wie. Noch hatte
er keine Lösung gefunden, keinen Weg, der ihm die Richtung wies. Wieder und wieder
durchdachte er die Möglichkeiten.
Inzwischen
hatte er herausgefunden, dass sie sich immer noch im Zirkus versteckt hielt, doch
dort war zu viel los. Er durfte nicht erneut riskieren, beobachtet zu werden. Der
Gedanke daran, dass er beinahe erwischt worden wäre, ließ sein Herz schneller schlagen,
und er spürte, dass ihm trotz der klimatisierten Temperatur im Wagen immer noch
zu warm war.
Was wäre,
wenn er außerhalb des Zirkusgeländes aktiv wurde? Nachts? Sie schlich doch manchmal
mit diesem Jongleur draußen herum.
Seine Zunge
fühlte sich pelzig an. Er griff nach der Mineralwasserflasche, die neben ihm auf
dem Beifahrersitz lag, und schraubte mit einer Hand am Verschluss. Irgendwann hatte
er es geschafft und sie geöffnet, dann setzte er die Flasche an und nahm gierig
ein paar Schlucke.
Die Gefahr,
dass die Polizei die junge Frau bald fand, war groß. Er musste schneller sein, unbedingt.
Grelle Sonnenstrahlen
fielen direkt in seine Augen. Rasch klappte er die Sichtblende herunter, beinahe
hätte er einen Unfall verursacht und wäre dem Wagen vor ihm hinten drauf gefahren.
Er fluchte, schraubte den Verschluss wieder auf die Flasche, die er zwischen die
Beine geklemmt hatte, und legte sie zurück auf den Beifahrersitz. Wenn die Polizei
die Guatemaltekin gefunden hatte und sie plaudern würde, würde es auch nicht mehr
lange dauern, und sie klingelten an seiner Tür.
Aber wie
sollte er sich dann verhalten? Was sollte er zugeben
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