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Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bärbel Böcker
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und wie viel musste er verschweigen?
    Hatte er
überhaupt noch Handlungsalternativen?
    Machte es
vielleicht Sinn, sich der Polizei zu stellen?
    Er drosselte
die Geschwindigkeit, denn am rechten Straßenrand erkannte er eine mobile Blitzanlage.
Vorsichtig passierte er die Stelle.
    Nein, niemals.
Niemals würde er sich stellen.
    Was wäre,
wenn er mit dem eigenen Leben Schluss machte? Sich in eine Wanne voll kalten Wassers legte … bei dem Gedanken musste er grinsen, es war Sommer … den Fön anschaltete
und ihn hineinfallen ließ? Das war einfach, konnte aber sehr schmerzhaft sein und
lange dauern. Außerdem wusste er, dass manche Leichen nach dem Stromtod im Wasser
regelrecht gekocht wurden, wenn man sie nicht bald fand. Ein Fön schaltete sich
nicht automatisch ab, er lief weiter und erhitzte das Wasser bis zum Siedepunkt.
Nein, diese Art von Tod barg keine hübsche Vorstellung.
    Was wäre,
wenn er sich den Revolver an den Kopf hielt und abdrückte? Er schüttelte sich, das
Bild des in der Gegend verspritzten Gehirns ekelte ihn, und er kam zu dem Schluss,
dass Selbstmord keine Lösung war. Es wäre nichts weiter als ein feiger Akt. Nein,
und er musste auch an Andere denken. Vor Jahren hatte er Verantwortung übernommen,
und jetzt ging es darum, ihr gerecht zu werden. Probleme waren dazu da, um gelöst
zu werden.
    Er straffte
sich, drückte den Kopf gegen die Nackenstütze und spürte, wie verspannt er war.
Alle Muskeln taten ihm weh. Er musste cool bleiben, die Nerven bewahren, und sich
jetzt einzig und allein auf das konzentrieren, was er sich für heute vorgenommen
hatte.
    Langsam
lenkte er den Wagen auf den Parkplatz vor dem Haus am See , band sich in der
drückenden Hitze des frühen Nachmittags die Joggingschuhe zu und sprintete los.

Mittwoch, 20. Juli, vormittags
     
    Florian und Eddie saßen zusammen
unterm Sonnenschirm in einem Café am Rheinauhafen und hatten sich ein Frühstück
bestellt: Eier mit Speck und Croissants. Der Boulevardjournalist sah ebenso erschöpft
aus wie Florian, und seine Haut wirkte genauso grau.
    Florian
hatte nur vier Stunden geschlafen. Die Sendung am Abend zuvor hatte einen Marktanteil
von 17,5 % erzielt, was verglichen mit den vorherigen Quoten als großer Erfolg
gewertet werden konnte. Insbesondere der Talkgast Susan Gayle, Rektorindes Roosevelt Gymnasiums in Lindenthal, hatte sich als Volltreffer erwiesen. Sie
hatte mit ihren arrogant anmutenden Äußerungen über Eliteschulen in Deutschland die Gemüter erhitzt und damit die Stimmung aufgeheizt, und viele Fernsehzuschauer
waren dem verbalen Schlagabtausch zwischen ihr und den anderen Talkgästen mit Vergnügen
gefolgt.
    »Ich habe
Dele Sanchi ausfindig gemacht«, sagte Florian zwischen zwei Bissen und setzte hinzu:
»Sie behauptet, die leibliche Mutter von Sabrinas Tochter zu sein.«
    Eddie starrte
ihn an. »Glückwunsch. Und jetzt will sie ihr Kind zurück?«
    Florian
nickte und erzählte Eddie von der Vergewaltigung und dem kriminellen Netzwerk, das
sich laut Dele hinter der Adoptionspraxis in Guatemala verbarg.
    Eddie legte
sein Besteck beiseite. Auf einmal verspürte er keinen Hunger mehr. »Sie rauben dort
Kinder, vergewaltigen Frauen, und nach der Geburt verkaufen sie die Babys wie einen
Exportartikel? Meinst du, die Guatemaltekin sagt die Wahrheit?«
    »Ja.« Florian
fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich bin mir sicher, dass sie sich die
Geschichte nicht aus den Fingern gesogen hat. Du hättest sie sehen sollen, als sie
Jana und mir am Sonntag davon erzählte. Sie war aschfahl im Gesicht, und ich dachte,
sie müsse sich jeden Augenblick übergeben. Wir haben damit gerechnet, dass sie zusammenbricht.«
    Eddie schwieg.
Schließlich fragte er: »Wieso kam sie erst jetzt nach Köln, um ihr Kind zu suchen,
und nicht schon früher?«
    Florian
dachte daran, was Dele ihm und Jana am Sonntagnachmittag erzählt hatte, bevor sie
mit Gino zurück zum Zirkus gefahren war. »Nachdem Sie von einer Menschenrechtsorganisation
in Cobán, die monatelang für sie recherchiert und alle Hebel in Bewegung gesetzt
hat, erfahren hat, dass ihre Tochter in Köln lebt, musste sie sich erst einmal das
Geld für ein Flugticket zusammensparen, und das hat Jahre gedauert.« Florian sah
Eddie an. »In Guatemala zählen sie und ihre Familie zu den Ärmsten der Armen, sie
verdienen fast nichts. Ihre Mutter versucht, sich und ihre sieben Kinder mit etwas
Maisanbau und Töpferarbeiten durchzubringen, der Vater ist Wanderarbeiter und selten
zu

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