Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
Hause. Das Geld, das er verdient, vertrinkt er meist. Außerdem wollte Dele Deutsch
lernen, um sich hier verständigen zu können, und auch das hat Jahre gedauert …«
Er blickte Eddie in die Augen, die sich hinter dicken, rechteckigen Brillengläsern
verbargen: »Sie war noch ein Kind, als sie vergewaltigt wurde, gerade einmal 15
Jahre alt.«
Eddie nahm
die Brille ab und legte sie auf den Tisch. Er sah sehr müde aus.
»Einem deutschstämmigen
Pfarrer, der in Cobán lebt, hat sie sich offenbart. Er hat ihr Beistand geleistet
und ihr bei ihrem Vorhaben geholfen. Beide haben jahrelang auf ihre Reise nach Deutschland
hingearbeitet.«
Eddie strich
sich über die Augen und nahm einen Schluck von dem Kaffee. Vorsichtig setzte er
die Tasse wieder ab.
»Der Pfarrer
hat die besagte Menschenrechtsorganisation ausfindig gemacht, und die hat sie dann
bei der Suche nach ihrem Kind unterstützt.«
»Und wie
haben sie den Aufenthaltsort des Mädchens herausgefunden?«
»Dele wurde
nach der Geburt dazu gezwungen, die nötigen Adoptionspapiere zu unterschreiben,
unter anderem Einverständniserklärungen. Anhand dieser Papiere, die die Menschenrechtsorganisation
nach langer Suche zwischen irgendwelchen Aktendeckeln ausgegraben hat, ließ sich
der Name ihres Kindes feststellen, ebenso der Aufenthaltsort. Das war Glück, denn
oft ist die Identität der Kinder auch gefälscht. Von außen betrachtet wirkt der
Adoptionsvorgang übrigens ganz legal, dahinter verbergen sich jedoch Gewalt und
ein kriminelles Netzwerk. Dass sich betroffene Frauen um Hilfe an eine Menschenrechtsorganisation
wenden wie in Deles Fall, ist übrigens die ganz große Ausnahme.«
Eddie räusperte
sich, und Florian sah ihn aufmerksam an. »Kann ich mich darauf verlassen, dass alles,
was ich dir gleich noch erzähle, erst einmal unter uns bleibt?«
»Ja.« Eddie
nickte ernst.
»Gut. Ich
habe sie vorübergehend bei mir versteckt, und ich habe Dele Sanchi versprochen,
ihr dabei behilflich zu sein, als leibliche Mutter anerkannt zu werden.«
Eddies Augenbrauen
schossen in die Höhe. »Um das zu erreichen, muss sie sich aber den Behörden stellen,
außerdem müssten genetische Tests in die Wege geleitet werden!«
Florian
seufzte. »Da liegt das Problem. Die Situation ist verzwickt, deswegen muss ich dringend
zuallererst einmal mit Sam sprechen. Ich muss wissen, auf welchem Weg er und Sabrina
ihre Tochter bekommen haben. Dele behauptet, Luz sei von Amerikanern adoptiert und
erst einmal nach Amerika gebracht worden, das ginge aus den guatemaltekischen Adoptionspapieren
hervor.«
Eddies Augen
blitzten. »Sabrinas Mann ist Amerikaner«, sagte er mit Nachdruck.
»Ja, aber
Luz besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, das hat Jana für mich überprüft. Ich
stelle mir die Frage, wer das alles organisiert hat. Ich möchte wissen, wie die
Adoption vonstatten ging.«
Eddie erhob
sich und rückte seinen Stuhl, der inzwischen halb in der Sonne stand, wieder zurück
in den Vollschatten. Florian sah ihm dabei zu, er hatte den Eindruck, dass sein
Freund vor allem deswegen aufgestanden war, weil er den Drang verspürt hatte, sich
zu bewegen. Vielleicht musste er seiner Ergriffenheit Luft machen. Als er wieder
Platz genommen hatte, sprach Florian weiter. »Meine Mutter, die Sabrina aus dem
Tennisclub kennt, glaubt, dass sie und ihr Mann viel Geld für das Kind bezahlt haben.«
»Wieviel?«,
fragte Eddie.
»Etwa 30.000
Dollar.«
»Dann haben
sie sich die Erfüllung ihres Kinderwunschs ja einiges kosten lassen. Ekelhaft.«
Eddies Mundwinkel zuckten.
»Was mich
vor allem beunruhigt, ist, dass Sam sich nicht bei mir meldet. Ich habe ihn schon
mehrfach um Rückruf gebeten.« Florian zog sein Handy aus der Hosentasche und warf
zum wiederholten Male einen prüfenden Blick darauf. »Immer noch nichts«, sagte er
und legte das Gerät resigniert neben seinen Teller auf den Tisch.
»Wundert
es dich? Wahrscheinlich will er nach der U-Haft einfach nur seine Ruhe haben, ich
würde sein Verhalten nicht überbewerten.«
»Vielleicht
hast du recht, aber ich habe ein ungutes Gefühl …« Florian massierte seine Stirn,
als ob ihm das helfen könnte, seine Gedanken besser zu ordnen. »Dele behauptet,
es gebe Mittelsmänner hier, die die illegalen Adoptionspraktiken in Guatemala stützen
und gut daran verdienen.«
»In Köln?
Wenn das stimmt, haben wir einen fetten Skandal«, sagte Eddie.
»Und gute
Schlagzeilen sowie eine Sendung zum Thema.«
Eddie nickte.
Florian
sah ihn lange
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