Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
an. Er überlegte, wie weit er ihn in die bevorstehenden Recherchen
einspannen konnte, ohne Gefahr zu laufen, dass Eddie das Thema beim Kölner Blick längst breitgewalzt hatte, bevor sie damit auf Sendung gingen. Schließlich entschied
er, dass er ihm vertrauen und sich auf ihn verlassen konnte, und so sagte er: »Dele
behauptet, dass sie mit Sam über Luz sprechen wollte. Sie sei deswegen sogar in
der Kanzlei gewesen, in der er arbeitet, aber man habe sie nicht vorgelassen.«
»Interessant.«
Eddie wiegte den Kopf. » Wie heißt die Kanzlei?«
» Clark
& Johnson . Sie haben ihr Büro mitten auf der Schildergasse.«
»Dann scheinen
sie ja eine Menge Geld zu haben.«
»Davon können
wir ausgehen.«, Florian ließ seinen Blick über den Rhein schweifen. Im glitzernden
Sonnenlicht zog ein riesiges Containerschiff vorbei, es tutete laut, und er zuckte
unter dem unerwarteten Geräusch leicht zusammen.
»Weiß Sam,
dass Dele in der Kanzlei war, oder hat eine eifrige Sekretärin sie einfach abgewimmelt,
ohne dem Chef etwas von ihr zu sagen?«, unterbrach Eddie seine Gedanken.
Florians
Blick kehrte zu ihm zurück. »Keine Ahnung. Eine Frage mehr, die ich ihm stellen
möchte.«
Erneut überprüfte
Florian das Display seines Handys. »Immer noch nichts.«
Eddie beugte
sich zu ihm vor. »Hat Dele Sanchi Kontakt zu dem Kind?«
»Sie behauptet
nein.
»Glaubst
du ihr?«
»Nein. Sie
sagt, sie sei mehrfach auf dem Grundstück gewesen. Es wäre also unwahrscheinlich,
wenn sie es nicht zumindest versucht hätte, mit ihr zu sprechen, zumal sie zu Sam
nicht vorgedrungen ist.«
»Mir ist
die Frau suspekt.«
Florian
presste die Lippen zusammen. »Wahrscheinlich lügt sie, da gebe ich dir recht, aber
ich denke nicht, dass sie eine Mörderin ist.«
»Warum?«
»Das sagt
mir meine Menschenkenntnis«, erklärte Florian.
»Wieso versteckt
sie sich vor der Kripo? Das passt in meinen Augen nicht zusammen.«
Florian
überlegte einen Moment, ob er Eddie in Deles Geheimnis einweihen sollte. Schließlich
sagte er: »Sie hat keine Arbeitserlaubnis. Wenn sie sie finden, ist sie in Nullkommanichts
auf dem Rückweg nach Guatemala.«
Eddie betrachtete
eingehend seine Fingernägel und sah erst wieder auf, als Florian zu sprechen begann:
»Sie braucht jetzt vor allem Menschen, die ihr helfen, sonst wird sie ihre Mutterschaft
nie beweisen können.«
»Ja, und?«,
fragte Eddie. »Soll das Mädchen etwa mit ihr zurück nach Guatemala reisen, um dort
in einer ärmlichen Hütte zu hausen? In ein Land, das sie nicht kennt? In Begleitung
einer Frau, die ihr völlig fremd ist?« Er starrte Florian an. »Sam ist Anwalt, er
würde es zu verhindern wissen, das gebe ich dir mit Brief und Siegel.« Er setzte
seine Brille ab und putzte sie mit so viel Druck, dass Florian glaubte, das Glas
würde jeden Moment zerspringen, aber es quietschte nur unter dem Poliertuch.
»Was hast
du an Hintergrundinformation über Adoptionen in Guatemala? Erzähl mal«, forderte
Eddie ihn auf.
Florian
zog eine Mappe aus seiner dunkelroten Aktentasche hervor, legte sie auf den Tisch
und griff nach einem Zettel mit handschriftlichen Notizen. »Also: Guatemala zählt
13 Millionen Einwohner und erlebte 36 Jahre von 1960 bis 1996 einen Bürgerkrieg.
Weltweit gilt es nach China als das zweitgrößte Exportland für Adoptivkinder. Die
meisten von ihnen wurden während des Bürgerkriegs ohne großen bürokratischen Aufwand
in die USA vermittelt, in erster Linie Kriegswaisen.« Er sah kurz auf, bevor er
sich wieder den Notizen widmete. »Nach 1996, so heißt es in einem Artikel der taz ,
ging das Geschäft erst richtig los. Von 1997 bis 2007 wurden nach den Statistiken
des staatlichen Menschenrechtsbüros in Guatemala mehr als 28.000 guatemaltekische
Kinder zur Adoption ins Ausland freigegeben.«
»Das ist
wahnsinnig viel«, entfuhr es Eddie.
Florian
nickte. »Insbesondere junge indigene Mütter werden ihrer Kinder beraubt, zum Teil
werden sie bewusst vergewaltigt, nur um ihnen gleich nach der Entbindung die Kinder
wegzunehmen.« Er sah seinen Freund an. »Deles Schicksal ist also kein Einzelfall.«
Florian griff nach seiner Tasse, setzte sie aber sofort wieder ab, denn sie war
bereits leer. Mit Nachdruck sagte er: »Kinder werden geraubt, den Eltern gestohlen.
Beim Einkaufen, im Bus, vor der Haustür. Frauen werden vergewaltigt, nur um gezielt
an die Ware Kind zu gelangen. Das ist unfassbar, und bei uns in den Medien
wird kaum darüber berichtet.«
Eddie nickte.
»Erhalten
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