Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
die Frauen Geld für ihre Kinder?«
»Soviel
ich weiß, werden ihnen ein paar hundert Quetzales in die Hand gedrückt, umgerechnet
vielleicht bis zu 60 Dollar, und dann werden die Kinder für bis zu 30.000 Dollar
ins Ausland verkauft.«
Er hielt
inne, denn er spürte, dass allein das Reden darüber seinen Puls in die Höhe schnellen
ließ.
»Diese Schweine«,
zischte Eddie.
»28.000
Adoptionen in zehn Jahren, das machen 2.800 pro Jahr, und das sind mehr als 200
pro Monat bis 2007.«
Eddie biss
sich auf die Unterlippe.
»Im Jahr
2008 wurde dann das neue Adoptionsgesetz in Guatemala verabschiedet, das dem Kinderhandel,
in den Richter, Anwälte, Waisenhäuser und mehr als 160 darauf spezialisierte Agenturen
und Kinderkrippen verwickelt waren, ein Ende bereiten sollte. Doch der Sumpf ist
tief. Der neu eingerichtete Nationale Rat für Adoptionen , der die Identität
und Vorgeschichte von Kindern ab sofort prüfen soll, funktioniert schlicht und ergreifend
nicht. Jeden Monat werden schätzungsweise immer noch zwischen 50 und 100 Kinder
ins Ausland verkauft. Manche von ihnen liegen in den Betten der Kinderkrippen wie
Obst in der Steige auf dem Großmarkt, und genau so werden sie auch verschachert.«
Nun konnte
auch Florian nicht mehr still sitzen. Er legte die Mappe aus der Hand und fuhr sich
mit beiden Händen durch sein braunes Haar, dessen Spitzen bereits weit über den
T-Shirt-Kragen reichten. Die unterschiedlichsten Gedanken wirbelten durch seinen
Kopf, und Bilder von Deles Vergewaltigung, wie sie sie geschildert hatte, tauchten
auf wie Schemen im Nebel.
Am Tisch
neben ihnen wurde es laut, und Florian war dankbar dafür, weil ihn das Geräusch
in das Hier und Jetzt zurückholte. Eine junge Frau bestellte für sich und ihren
Freund zwei Glas Cola. Ihr Hund, der auf den Namen Oskar hörte, schwänzelte zu ihnen
herüber, und wie mechanisch begann er, das Tier ausgiebig mit beiden Händen zu streicheln.
Das ganze Ausmaß dessen, was in Guatemala geschah, auch heute noch, war ihm auf
beinahe unerträgliche Art und Weise bewusst. Florian presste die Lippen zusammen.
Sabrina und Sam waren in diese Machenschaften verwickelt. Er musste nur noch herausfinden,
wie.
Mittwoch, 20. Juli, früher Nachmittag
Vor Sams Haus herrschte Tumult.
Menschen drängten sich vor weiß-roten Absperrbändern und reckten die Hälse, ein
Rettungswagen stand in der Einfahrt.
»Was ist
hier los?« In einem Anflug von Panik bahnte Florian sich einen Weg durch die Menge.
»Da ist
jemand gestorben«, antwortete ein Mann. Ein anderer starrte ihn mit einem dümmlichen
Ausdruck im Gesicht wortlos an. »Wissen Sie, wer?« Florians Herz raste. »Wer?«,
wiederholte er. In diesem Moment erkannte er Sylvia Gerlach, die vor der Garage
des Hauses in ein Funkgerät sprach, und er begann wie wild zu winken. Sie steckte
das Gerät zurück in den Gürtel und drehte sich um. Ihr Blick traf seinen, und langsam
kam sie auf ihn und Eddie zu. Eddie war bereits damit beschäftigt, die ersten Fotos
zu schießen, er hatte den Apparat immer bei sich.
»Kommen
Sie bitte hier herüber.« Mit einer entsprechenden Geste beorderte die Kommissarin
Florian und Eddie zu einem Busch hinter das Absperrband.
»Um Himmels
willen, was ist denn hier los?« Florians Stimme klang erstickt vor Sorge.
»Sam Delson
ist tot«, antwortete Sylvia Gerlach.
Florian
schluckte. Er benötigte einen Moment, bis er sich wieder gefasst hatte. »Lisa und
Luz geht es gut?«
Sie nickte.
»Was ist
passiert?« Florian fühlte sich wackelig in den Knien, sein Atem stockte. Ihm kam
der Gedanke, dass er jetzt nichts mehr von Sam erfahren würde. Absolut nichts.
»Es sieht
ganz nach einem Suizid aus«, bemerkte die Kommissarin und erklärte: »Sam Delson
hat Abgase ins Auto geleitet.« Sie blickte hinüber zu Marko Rössner, der in ein
Gespräch mit dem Rechtsmediziner vertieft war. Sie schien unsicher, wie lange sie
mit Florian und seinem Freund noch hier stehen bleiben konnte, ohne seinen Unmut
zu provozieren.
»Eddie Klump
vom Kölner Blick «, stellte Florian rasch vor. Eddie nickte kurz. »Wir kennen
uns. Ist nicht das erste Mal, dass ich vor Ort bin, wenn es Tote gibt.«
»Wer hat
ihn gefunden?« Florian sah die Kommissarin fragend an.
»Die Schwester
seiner Frau. Als sie heute Morgen in die Garage kam, um den Gartenschlauch anzuschließen,
weil sie die Pflanzen wässern wollte, hat sie ihn entdeckt. Da war er schon einige
Stunden tot.«
Florian
befeuchtete seine Lippen. Sie
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