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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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selbst erschaffen hatte. Nein, für Inspector Dhar
war ebenfalls der Doktor zuständig.
    Dr. Daruwalla war
verwirrt. Er erinnerte sich, daß er Nancy mit John D. bekannt gemacht und dieser
die schwere junge Frau galant die Treppe hinuntergetragen hatte. Hatte Nancy nur
einen Inspector-Dhar-Film gesehen oder alle? Hatte sie den reiferen John D. wiedererkannt?
So weit, so gut. Aber wie hatte sie den kühnen Gedankensprung vollzogen, daß der
Doktor Dhars Schöpfer war? Und woher kannte sie »den echten Polizisten«, wie sie
ihn genannt hatte? Dr. Daruwalla konnte nur vermuten, daß sie damit Kommissar Patel
meinte. Natürlich war ihm nicht [404]  klar, daß Nancy Inspektor Patel seit zwanzig
Jahren kannte – geschweige denn, daß sie mit ihm verheiratet war.
    Der Arzt und seine Patientin begegnen sich
wieder
    Dr. Daruwalla
hatte die ganze Zeit in seinem Schlafzimmer in Bombay gesessen. Jetzt war er wieder
allein. Julia hatte ihn irgendwann dort sitzengelassen, um sich bei John D. zu entschuldigen
– und sich zu vergewissern, daß das Abendessen noch warm war. Dr. Daruwalla wußte,
daß es eine unerhörte Unhöflichkeit war, seinen jungen Liebling warten zu lassen,
doch nach Nancys Nachricht auf dem Anrufbeantworter fühlte er sich verpflichtet,
sich bei Kommissar Patel zu melden. Daß der Kommissar etwas mit ihm unter vier Augen
besprechen wollte, war nur einer der Gründe, warum der Doktor ihn anrief; ihn interessierte
ungleich mehr, wo Nancy sich jetzt befand und wieso sie »den echten Polizisten«
kannte.
    Da es schon spät
war, rief Dr. Daruwalla Detective Patel zu Hause an. Während Farrokh wählte, sann
er darüber nach, daß es in Gujarat jede Menge Leute mit Namen Patel gab; auch in
Afrika gab es viele Patels. Er kannte eine Hotelkette Patel und ein Kaufhaus Patel
in Nairobi. Aber er kannte nur einen Patel, der bei der Polizei war, dachte er in
dem Augenblick, in dem – welch ein Zufall – Nancy ans Telefon ging. Sie sagte lediglich
»Hallo«, aber dieses eine Wort genügte Dr. Daruwalla, um ihre Stimme zu erkennen.
Er war zu verwirrt, um etwas zu sagen, aber sein Schweigen verriet Nancy bereits,
wer er war.
    »Ist da der Doktor?«
fragte sie auf die vertraute Art.
    Dr. Daruwalla hätte
es albern gefunden einzuhängen, und da ihm im Augenblick nichts Besseres einfiel,
schwieg er lieber. Aufgrund seiner erstaunlich langen und glücklichen Ehe mit Julia
wußte er, daß es oft unmöglich war nachzuvollziehen, was [405]  Menschen zueinander
hinzog und zusammenhielt. Hätte der Doktor gewußt, daß die Beziehung zwischen Nancy
und Detective Patel wesentlich mit dem Dildo zusammenhing, hätte er zugeben müssen,
daß er von erotischer Anziehungskraft und Harmonie noch weniger Ahnung hatte, als
er sich einbildete. Der Doktor vermutete, daß die unterschiedliche Hautfarbe für
beide den Reiz ausmachte – er und Julia jedenfalls hatten das so empfunden. Und
bei Nancy und Kommissar Patel, dieser eigenartigen Kombination, mutmaßte Dr. Daruwalla
zudem, daß in dem scheinbar »verdorbenen Mädchen« möglicherweise das Herz eines
»braven Mädchens« schlug; er hielt es für durchaus denkbar, daß Nancy sich einen
Polizisten gewünscht hatte. Bei seinen
Überlegungen, was umgekehrt den Kommissar zu Nancy hingezogen haben mochte, neigte
Farrokh dazu, den Stellenwert heller Hautfarbe zu überschätzen, denn schließlich
bewunderte er Julias helle Haut, obwohl Julia nicht einmal ein blonder Typ war.
Denn ein Charakteristikum vieler Polizisten hatte der Doktor bei seinen Recherchen
für die Inspector-Dhar-Filme übersehen: die Freude an Geständnissen. Dem armen Vijay
Patel tat es gut, wenn jemand ein Verbrechen gestand, und Nancy hatte ihm alles
gebeichtet. Sie hatte damit begonnen, daß sie ihm den Dildo aushändigte.
    »Sie hatten recht«,
hatte sie ihm erklärt. »Er läßt sich aufschrauben. Aber er war mit Wachs versiegelt.
Ich habe auch nicht gewußt, daß er aufgeht. Ich habe nicht gewußt, was drin war.
Aber sehen Sie mal, was ich ins Land geschmuggelt habe«, sagte sie. Während Inspektor
Patel die deutschen Geldscheine zählte, berichtete Nancy weiter. »Es war noch mehr
da«, sagte sie, »aber einen Teil hat Dieter verbraucht, und ein Teil wurde gestohlen.«
Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Es waren zwei Morde, aber nur eine Zeichnung.«
Sie erzählte ihm alles, angefangen bei den Footballspielern. Es haben sich schon
Leute aus merkwürdigeren Gründen verliebt.
    Unterdessen wurde
Nancy,

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