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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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überhaupt an Lebensechtheit mangelte
– zum Beispiel hatte der Rüssel vorn keine Öffnung.
    Zuerst pinkelte
Promila, dann Rahul. Er saß auf dem Schoß seiner Tante und hörte ihr zu. Wenn sie
sich abwischte, spürte er ihren Handrücken an seinem nackten Po. Dann griff sie
in seinen Schoß und bog seinen kleinen Penis nach unten in die Toilettenschüssel.
Es war schwierig, von ihrem Schoß aus zu pinkeln.
    »Mach nicht daneben«,
flüsterte sie ihm ins Ohr. »Bist du auch vorsichtig?« Rahul gab sich Mühe, vorsichtig
zu sein. Wenn er fertig war, wischte ihm Tante Promila den Penis mit Toilettenpapier
ab. Dann befühlte sie ihn mit der bloßen Hand. »Wir wollen doch sicher sein, daß
du auch trocken bist, mein Lieber«, sagte Promila dann. Sie hielt seinen Penis immer
so lange fest, bis [416]  er steif war. »Was für ein großer Junge du bist«, flüsterte
sie dann.
    Wenn sie fertig
waren, wuschen sie sich gemeinsam die Hände.
    »Das heiße Wasser
ist zu heiß, da verbrennst du dich«, warnte ihn Tante Promila. Gemeinsam standen
sie vor dem abenteuerlich verzierten Waschbecken. Es hatte nur einen Wasserhahn
in Form eines Elefantenkopfs. Das Wasser, das durch den Elefantenrüssel floß, lief
breitgefächert ins Becken. Wenn man heißes Wasser wollte, hob man den einen Stoßzahn,
für kaltes den anderen. »Nur kaltes Wasser, mein Lieber«, sagte Tante Promila jedesmal
und ließ Rahul für sie beide den Wasserhahn anstellen. Er schob den Stoßzahn für
das kalte Wasser hoch und drückte ihn wieder herunter – nur diesen einen Stoßzahn.
»Du mußt dir immer die Hände waschen, mein Lieber«, sagte Tante Promila.
    »Ja, Tante«, antwortete
Rahul. Er nahm an, daß die Vorliebe seiner Tante für kaltes Wasser mit ihrer Generation
zu tun hatte; wahrscheinlich hatte sie Zeiten erlebt, in denen es noch kein heißes
Wasser gab.
    Als Rahul älter
war – vielleicht acht oder neun, möglicherweise auch zehn –, schickte ihn Promila
zu Dr. Lowji Daruwalla. Sie machte sich Sorgen wegen seiner unerklärlichen Unbehaartheit,
wie sie es nannte – das jedenfalls sagte sie dem Doktor. Rückblickend wurde Rahul
klar, daß er seine Tante enttäuscht hatte, und nicht nur einmal. Promilas Enttäuschung,
auch das wurde Rahul klar, war sexueller Natur; seine sogenannte Unbehaartheit hatte
damit wenig zu tun. Aber Promila Rai konnte sich schlecht über die Größe oder die
nur kurz anhaltende Steifheit von Rahuls Penis beschweren – schon gar nicht bei
Dr. Lowji Daruwalla! Die Frage, ob ihr Neffe impotent war oder nicht, würde warten
müssen, bis Rahul zwölf oder dreizehn war, und dann würde der alte Dr. Tata ihn
untersuchen.
    [417]  Rückblickend
wurde Rahul auch klar, daß seine Tante in erster Linie daran interessiert war, zu
erfahren, ob er generell impotent war oder nur bei ihr. Natürlich hatte sie Dr.
Tata nicht gesagt, daß sie wiederholt enttäuschende sexuelle Erlebnisse mit Rahul
gehabt hatte, sondern hatte angedeutet, daß sich Rahul selbst Sorgen machte, weil
es ihm nicht gelungen war, bei einer Prostituierten eine Erektion zu halten. Dr.
Tatas Reaktion war für Tante Promila ebenfalls enttäuschend gewesen.
    »Vielleicht lag
es an der Prostituierten«, hatte der alte Dr. Tata gemeint.
    Noch Jahre später
sollte sich Rahul daran erinnern, wenn er an seine Tante Promila dachte. Vielleicht
lag es an der Prostituierten, dachte er dann. Möglicherweise war er gar nicht impotent
gewesen. Aber wie dem auch sei, nachdem Rahul jetzt eine Frau war, spielte das ohnehin
keine Rolle mehr. Er hatte seine Tante Promila wirklich geliebt. Was das Händewaschen
betraf, so hatte der Elefant mit dem einen erhobenen Stoßzahn einen bleibenden Eindruck
bei Rahul hinterlassen. Trotzdem zog er es vor, sich die Hände mit warmem Wasser
zu waschen.
    Ein kinderloses Ehepaar sucht nach Rahul
    Im nachhinein
ist es beeindruckend, daß Kommissar Patel auf die Idee kam, Rahul mit einem Familienvermögen
– in Indien – in Verbindung zu bringen. Seiner Überlegung zufolge hätte ein wohlhabender
Verwandter die wenigen, aber regelmäßigen Besuche des Mörders in Bombay erklären
können. Seit über fünfzehn Jahren waren die Opfer, die mit dem augenzwinkernden
Elefanten verziert worden waren, Prostituierte aus den Bordellen von Kamathipura
oder in der Grant und der Falkland Road gewesen. Jedesmal wurden zwei oder drei
Morde innerhalb von zwei oder drei Wochen verübt, und dann [418]  fast neun Monate oder
ein Jahr lang keiner mehr. In

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