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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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alte
Freunde.
    Dr. Daruwalla quälte
sich mit anderen schlechten Alternativen für einen Titel herum. ›Limo-Roulette‹
klang recht ambitioniert, aber es bekümmerte ihn, daß sich Zwerge auf der ganzen
Welt durch den Film gekränkt fühlen würden, egal wie der Titel lautete. Im Laufe
seiner heimlichen Karriere als Drehbuchautor hatte er es geschafft, nahezu alle
Leute zu kränken. Statt sich [664]  weiter Gedanken um beleidigte Zwerge zu machen,
wandte sich der Doktor der ziemlich belanglosen Frage zu, welche Filmzeitschrift
seine Bemühungen als erste mißverstehen und lächerlich machen würde. Am meisten
verabscheute er den ›Stardust‹ und den ›Cineblitz‹. Seiner Ansicht nach waren das
die skandalösesten und verleumderischsten Klatschorgane der Filmpresse.
    Der bloße Gedanke
an diese angeheuerten Medienknüppel, diesen journalistischen Abschaum, ließ Farrokh
schaudernd zusammenfahren: Wie sollte er denen beibringen, daß es mit den Inspector-Dhar-Filmen
aus und vorbei war? Dabei fiel ihm ein, daß kein Mensch kommen würde, wenn er eine solche Konferenz einberief.
Er würde schon Dhar bitten müssen, das zu übernehmen, und Dhar würde auch anwesend
sein müssen, damit das Ganze nicht nach einem üblen Scherz aussah. Schlimmer: Dhar
würde auch das Reden besorgen müssen, denn schließlich war er der Filmstar. Die
Klatschjournalisten würden sich weniger für Dr. Daruwallas Gründe für dieses falsche
Spiel interessieren als dafür, warum Dhar da mitgemacht hatte. Warum hatte Dhar
die Fiktion aufrechterhalten, daß er sein eigener Schöpfer war? Selbst bei einer
derart sensationellen Pressekonferenz, wie Farrokh sie sich vorstellte, würde Dhar,
wie stets, den Text von sich geben, den sein Drehbuchautor für ihn geschrieben hatte.
    Die Enthüllung der
Wahrheit wäre für Dhar schlicht ein weiterer Auftritt. Die eigentliche Wahrheit
– daß Dr. Daruwalla Inspector Dhar aus Liebe zu John D. erfunden hatte – würde niemals
zur Sprache kommen. Den schäbigen Medien eine solche Wahrheit zu servieren hätte
bedeutet, Perlen vor die Säue zu werfen. Farrokh wollte auf keinen Fall lesen müssen,
wie im ›Stardust‹ und im ›Cineblitz‹, über seine tiefe Zuneigung zu Dhar gespöttelt
würde.
    Dhars letzte Pressekonferenz
war absichtlich als Farce aufgezäumt worden. Als Schauplatz hatte sich Dhar den
Swimmingpool im Taj Mahal ausgesucht, weil er es angeblich genoß, wenn [665]  ausländische
Gäste verwirrt und mit offenem Mund dastanden und ihn anstarrten. Die Journalisten
waren von Anfang an irritiert, weil sie mit einem intimeren Rahmen gerechnet hatten.
»Kehren Sie absichtlich den Ausländer hervor? Wollen Sie uns weismachen, daß Sie
gar kein Inder sind?« hatte die erste Frage gelautet, und Dhar hatte sie mit einem
Sprung in den Pool beantwortet. Daß er die Fotografen dabei naßspritzte, war kein
Zufall gewesen, sondern Absicht. Er hatte nur die Fragen beantwortet, die er beantworten
wollte, und den Rest ignoriert. Die ganze Veranstaltung wurde wiederholt dadurch
unterbrochen, daß Dhar in den Pool sprang. Und während er sich unter Wasser befand,
zogen die Journalisten kräftig über ihn her.
    Farrokh ging davon
aus, daß John D. heilfroh sein würde, die Rolle des Inspector Dhar loszuwerden.
Der Schauspieler hatte genügend Geld und bevorzugte eindeutig sein Leben in der
Schweiz. Trotzdem argwöhnte Dr. Daruwalla, daß Dhar im Grunde seines Herzens den
Haß genoß, den er bei diesen miesen Pressefritzen entfachte; und wie er das machte,
war seine vielleicht beste schauspielerische Leistung. Als Farrokh sich das klarmachte,
glaubte er zu wissen, welcher Abgang John D. vorschwebte: keine Pressekonferenz,
keine Verlautbarung. »Sollen sie sich ruhig den Kopf zerbrechen«, würde Dhar sagen,
wie so oft.
    Es gab noch einen
anderen Ausspruch, der dem Drehbuchautor jetzt einfiel; schließlich stammte er nicht
nur von ihm, sondern wurde am Ende eines jeden Inspector-Dhar-Films wiederholt.
Für Inspector Dhar bestand stets die Versuchung, noch etwas zu tun – noch eine Frau
zu verführen, noch einen Bösewicht niederzuschießen –, aber er wußte, wann er aufhören
mußte. Er wußte, wann die Handlung zu Ende war. Und dann sagte er – manchmal zu
einem intriganten Barkeeper, manchmal zu einem chronisch unzufriedenen Polizistenkollegen,
manchmal zu einer hübschen Frau, die ungeduldig darauf wartete, mit [666]  ihm zu schlafen:
»Zeit zu verschwinden.« Und das tat er dann auch.
    In

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