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Zirkuskind

Zirkuskind

Titel: Zirkuskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Doktor
an. »Können Sie sich das vorstellen? Daß ein hijra einfach hier hereinspaziert, noch
dazu während der Unterrichtszeit!«
    Dr. Daruwalla fand
es erheiternd, sich dieses Spektakel vorzustellen. »Vielleicht strebte er oder sie
nach mehr Bildung«, sagte er zu Pater Cecil.
    »Es hat behauptet,
es sei eingeladen worden«, entgegnete Pater Cecil.
    »Es?« rief Dr. Daruwalla.
    »Na ja, er oder
sie, was immer es war, es war groß und kräftig. Eine tobende Prostituierte, ein
verrückter Transvestit!« flüsterte Pater Cecil. »Sie nehmen doch Hormone, nicht
wahr?«
    »Die hijras nicht«, antwortete Dr. Daruwalla.
»Die nehmen keine Östrogene. Sie lassen sich ihre Eier und den Penis entfernen –
mit einem einzigen Schnitt. Und anschließend wird die Wunde mit heißem Öl verätzt,
so daß sie einer Vagina ähnelt.«
    »Meine Güte, verschonen
Sie mich damit!« sagte Pater Cecil.
    »Manchmal werden
ihnen auf chirurgischem Weg Brüste implantiert«, informierte Dr. Daruwalla den Priester.
»Aber normalerweise nicht.«
    »Dem da hat man
Eisen implantiert!« sagte Pater Cecil begeistert. »Der junge Martin hielt gerade
Unterricht. Der Pater Rektor und ich und Frater Gabriel mußten ganz allein mit diesem
Wesen fertigwerden, bis die Polizei kam.«
    »Hört sich aufregend
an«, bemerkte Farrokh.
    »Zum Glück hat keines
der Kinder es gesehen«, sagte Pater Cecil.
    »Dürfen Transvestiten-Prostituierte
eigentlich nicht konvertieren?« fragte Dr. Daruwalla, dem es Spaß machte, den Priester
auf den Arm zu nehmen.
    »Tobende Hormone«,
wiederholte Pater Cecil. »Es hat mit Sicherheit eine Überdosis genommen.«
    [672]  »Ich habe Ihnen
doch gesagt, daß sie normalerweise keine Östrogene nehmen«, sagte der Doktor.
    »Aber dieses da
hat was genommen«, beharrte Pater Cecil.
    »Kann ich jetzt
mit Martin Mills sprechen?« fragte Dr. Daruwalla. »Oder hält er immer noch Unterricht?«
    »Er ißt gerade zu
Mittag mit den Knirpsen, oder heute vielleicht auch mit den Winzlingen«, entgegnete
Pater Cecil.
    Für Dr. Daruwalla
war es Zeit für den Lunch im Duckworth Club. Er wollte Martin Mills eine Nachricht
hinterlassen, aber Pater Cecil hatte offenbar solche Mühe, sie sich zu merken, daß
der Doktor es für nötig hielt, noch einmal anzurufen. »Sagen Sie ihm einfach, ich
rufe noch mal an«, sagte Farrokh schließlich. »Und sagen Sie ihm, daß wir auf alle
Fälle zum Zirkus fahren.«
    »Ach, das wird sicher
lustig!« meinte Pater Cecil.
    Das Hawaiihemd
    Detective
Patel hatte sich vor dem Lunch im Duckworth Club sammeln wollen, aber dann kam dieser
Vorfall in St. Ignatius dazwischen. Es handelte sich zwar nur um ein belangloses
Delikt, doch man hatte den Kommissar benachrichtigt, weil es in die Kategorie der
mit Dhar in Verbindung stehenden Vergehen fiel. Der Täter war eine Transvestiten-Prostituierte,
die kurz zuvor bei dem Tumult auf der Falkland Road von Dhars zwergwüchsigem Chauffeur
verletzt worden war – der hijra ,
dem Vinod mit einem Schlag seines Squashschlägergriffs das Handgelenk gebrochen
hatte. Er war in St. Ignatius aufgekreuzt und hatte mit seinem Gipsverband auf die
alten Priester eingedroschen. Er wollte ihnen weismachen, daß Inspector Dhar ihnen
allen erklärt habe, sie seien in der Missionsstation willkommen. Und außerdem habe
er den hijras gesagt, sie könnten ihn jederzeit
dort antreffen.
    »Aber das war nicht
Dhar«, erklärte der hijra Detective Patel [673]  auf Hindi. »Es war jemand, der sich für Dhar ausgab, ein Hochstapler.«
Sofern Detective Patel nach Lachen zumute gewesen wäre, hätte er es lachhaft gefunden,
daß ein Transvestit jemand anderen als einen »Hochstapler« bezeichnete; aber so
betrachtete er den hijra nur voller Ungeduld und Geringschätzung. Er war eine große, breitschultrige Nutte
mit knochigem Gesicht, dessen kleine Brüste zu sehen waren, weil er die obersten
zwei Knöpfe des viel zu weiten Hawaiihemdes nicht zugeknöpft hatte. Das weißgrundige
Hemd und der knallenge, knallrote Minirock waren eine absurde Kombination – hijra -Prostutierte trugen normalerweise
Saris. Außerdem gaben sie sich im allgemeinen mehr Mühe, feminin auszusehen. Die
Brüste dieses hijra waren (soweit der Kommissar feststellen konnte) wohlgeformt, sogar auffallend wohlgeformt,
aber seitlich am Kinn wuchsen ihm Koteletten, und auf der Oberlippe war deutlich
der Anflug eines Schnauzbarts zu erkennen. Möglicherweise hatte der hijra geglaubt, die Farben des Hawaiihemdes
wirkten feminin

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