Zirkuskind
Patel
und Inspector Dhar in Empfang genommen zu werden. Zunächst einmal fragte er sich,
warum sie so elegant angezogen waren; ihm war noch immer nicht bewußt, daß heute
Silvester war – nicht bevor er sah, was Julia anhatte. Dann irritierte es ihn, daß
sich alle so zeitig für den Abend umgezogen hatten; kein Mensch erschien vor acht
oder neun Uhr bei der Party im Duckworth Club.
Aber keiner
wollte die Zeit, in der sie probieren konnten, mit Ankleiden verschwenden, und richtig
probieren konnten sie Dhars Dialogvarianten erst, nachdem Farrokh vom Zirkus zurückgekehrt
war und die Texte geschrieben hatte. Der Doktor fühlte sich geschmeichelt – nachdem
er anfangs bitter enttäuscht gewesen war, weil man ihn von den Vorbereitungen ausgeschlossen
hatte –, war aber zugleich erschöpft. Er hatte die letzten drei Nächte geschrieben
und befürchtete, daß ihm nichts mehr einfallen würde. Dazu kam, daß er Silvester
nicht ausstehen konnte; dieser Abend traf ihn an seinem wunden Punkt, seinem angeborenen
Hang zur Nostalgie (vor allem im Duckworth Club), während Julia ihn genoß, weil
sie gern tanzte.
Dr. Daruwalla
bedauerte ausdrücklich, daß jetzt keine Zeit war, um über die Ergebnisse im Zirkus
zu berichten; interessante Dinge hatten sich dort zugetragen. An diesem Punkt sagte
John D. etwas recht Unsensibles, nämlich daß seine Vorbereitungen auf die Verführung
der zweiten Mrs. Dogar »kein Zirkus« seien. Mit dieser geringschätzigen Bemerkung
wollte er dem Doktor [802] bedeuten, er solle sich seine albernen Zirkusgeschichten
für eine andere, weniger ernste Gelegenheit aufsparen.
Detective
Patel kam noch unumwundener zur Sache. Die obere Hälfte des silbernen Kugelschreibers
hatte ihm nicht nur Rahuls Fingerabdrücke beschert; von der Klammer war auch noch
ein angetrocknetes Blutpartikel entfernt worden – menschliches Blut derselben Blutgruppe
wie der von Mr. Lal. »Darf ich Sie daran erinnern«, sagte der Kommissar, »daß es
nach wie vor unumgänglich ist herauszufinden, was Rahul mit der Stiftkappe angestellt
hat… und zwar während des Mordes an Mr. Lal.«
»Und es
ist unumgänglich, daß Mrs. Dogar zugibt, daß diese Stiftkappe ihr gehört«, unterbrach
John D.
»Ja, danke«,
sagte Patel. »Aber die Kappe allein ist noch kein Beweis. Wir müssen einwandfrei
nachweisen können, daß niemand anderer die Zeichnungen gemacht haben kann. Soviel
ich weiß, lassen sich Zeichnungen dieser Art so eindeutig einer Person zuordnen
wie eine Unterschrift, aber dafür müßte man Mrs. Dogar dazu bringen, etwas zu zeichnen.«
»Wenn
ich sie irgendwie dazu überreden könnte, mir zu zeigen, wie es sein könnte… zwischen
uns«, sagte Dhar zu dem Drehbuchautor. »Vielleicht könnte ich sie bitten, mir einen
kleinen Anhaltspunkt für ihre Vorlieben zu geben… ihre sexuellen Vorlieben, meine
ich. Oder ich könnte sie bitten, mich mit etwas aufzureizen… ich meine, mit etwas
sexuell Eindeutigem«, sagte der Schauspieler.
»Ja, ja,
ich verstehe schon, was du meinst«, sagte Dr. Daruwalla ungeduldig.
»Und dann
sind da noch die Zwei-Rupien-Scheine«, sagte der echte Polizist. »Falls Rahul daran
denkt, wieder jemand umzubringen, existieren vielleicht Banknoten mit entsprechenden
Warnungen oder Botschaften.«
»Das wäre
doch sicher Belastungsmaterial, wie Sie es nennen«, meinte Farrokh.
[803] »Am
liebsten wäre mir alles zusammen: eine Verbindung zu der Stiftkappe, eine Zeichnung
und ein beschriebener Geldschein«, entgegnete Patel. »Das wären Beweise genug.«
»Wie rasch
wollen Sie denn vorgehen?« fragte Farrokh. »Bei einer Verführung gibt es normalerweise
die Anlaufphase, in der sich auf beiden Seiten so etwas wie ein erotischer Funke
entzündet. Dann findet ein heimliches Treffen statt – oder man unterhält sich zumindest
über einen Treffpunkt.«
Es war
wenig tröstlich für den Drehbuchautor, als Inspector Dhar verschwommen meinte: »Ich
glaube, ich würde das eigentliche Rendezvous möglichst lieber vermeiden… Ich wäre
froh, wenn es nicht dazu kommen müßte.«
»Du glaubst?
Du weißt es nicht?« schrie Dr. Daruwalla.
»Der springende
Punkt ist, daß ich für alle Eventualitäten Dialogtexte brauche«, sagte der Schauspieler.
»Richtig«,
sagte Detective Patel.
»Der Kommissar
hat mir Fotografien von diesen Zeichnungen gezeigt«, sagte John D.; seine Stimme
wurde leiser. »Es muß auch persönliche Zeichnungen geben, Skizzen, die sie irgendwo
versteckt hat.« Wieder fühlte
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