Zone One: Roman (German Edition)
stieß er das Marge von ihm herunter und hielt es mit dem Stiefel an der Schulter unten.
Mark Spitz wandte das Gesicht ab, um keine Spritzer abzukriegen, und presste die Lippen zu einem schmalen Spalt zusammen. Er hörte zwei Schüsse. Alle vier waren erledigt.
»Mark Spitz, Mark Spitz«, sagte Gary. »Wir hatten ja keine Ahnung, dass du auf ältere Damen stehst.«
Sie fingen an, ihn Mark Spitz zu nennen, als sie nach dem Vorfall auf der I-95 endlich ins Camp zurückgefunden hatten. Der Name blieb hängen. Machte ja auch nichts. Sich gekränkt zu fühlen war ein Luxus, wie Shampoo und Zuneigung.
Er wälzte sich von den Körpern weg in Richtung Aktenvernichter und versuchte, zu Atem zu kommen. Er würgte, Schweiß stand ihm auf der Stirn. Der Fuß des gesichtslosen Skels wischte hin und her wie der Schwanz eines Tiers, das im Zoo auf Beton döst. Dann, am Ende einer Doppelbewegung, hielt er an und rührte sich nicht mehr.
»Danke«, sagte Mark Spitz.
»Masel tov«, sagte Gary.
In den letzten Wochen hatte Gary angefangen, das Vokabular der polyglotten Stadt zu verwenden, wie es über die Populärkultur vermittelt worden war: die eponymen Sitcoms jüdischer Comedians; den dominikanischen Gangsterfilm im Bezahlfernsehen; die Rattattatt-Verse totemischer Hiphop-Singles. Er verstand die Bedeutung nicht immer richtig, aber den Vortrag hatte er voll drauf, und die korrekte Intonation verfestigte sich durch beständige Erprobung.
Nach dem Gefecht zog sich Garys Körper in die gewohnte Vogelscheuchenhaltung zurück. In der Beherrschung der Kampftechniken war dieser Mann ein Musterbeispiel des neuen zivilen Rekruten, der sich den korrekten Umgang mit Sturmgewehr und Kampfmesser mühelos einprägte und dann umsetzte, wobei er seine mitgebrachten Überlebensfertigkeiten in Crashkursen mit überliefertem militärischem Wissen kombinierte. Mark Spitz hatte Glück, dass er in seiner Einheit diente. Aber er sah einfach fürchterlich aus. Jeden Morgen beim Aufwachen verwunderte sich Mark Spitz aufs Neue darüber, dass sein Kamerad kaum in besserer Verfassung war als die Kreaturen, die zu beseitigen ihr Auftrag war. (Diejenigen, denen Körperteile fehlten, natürlich nicht mitgerechnet.) Gary hatte einen Teint wie Granit, graue und narbige Haut. Mark Spitz konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass irgendetwas Übles tief in Garys Knochen saß, nicht katalogisiert und nicht zu diagnostizieren. Seine Augenhöhlen waren ständig rußverschmiert, seine Wangen ausgehöhlt. Seine bevorzugte Gangart war ein kontrolliertes Schlurfen, mit dem er um Ecken und durch Zimmer latschte, der letzte Junkie der Welt. Wie alle anderen hatte er in den letzten Jahren viele Mahlzeiten ausgelassen, doch bei ihm nahm man den Gewichtsverlust nicht als Folge eines Mangels, sondern als schleichende, unterschwellige Auszehrung wahr. Von dieser Theorie wurde Mark Spitz abgebracht, als Gary ihm ein an seinem sechsten Geburtstag aufgenommenes Foto zeigte, auf dem ebendieses abstoßende Äußere bereits zu erkennen war.
Welche Krankheit auch immer vorlag, ob biologischer oder metaphysischer Natur, ihr Ausfluss wurde an den Händen abgesondert, genauer gesagt den Fingernägeln, die scheinbar aus Dreck bestanden. Als hätte er sich aus einem Sarg herausgekrallt. In ihrer ersten Woche in Fort Wonton hatte es einen gewissen Sergeant Weller gegeben, der Gary wegen des schändlichen Zustands seiner Fingernägel herunterputzte, Vorschriften über militärisches Auftreten aus der Zeit vor der Seuche zitierte und drohte, mit ihm »Schlitten zu fahren«, wenn er sich nicht am Riemen riss, aber Weller bekam bei einem Aufklärungsunternehmen in einem Bahnhof in Newark den Kehlkopf herausgerissen, und damit war die Sache erledigt. Freiwillige aufgrund überholter Normen zu schikanieren zählte nicht zu den Prioritäten der anderen Offiziere. Gary für sein Teil verstand die ganze Aufregung nicht. Bevor die Welt zusammengebrochen war, hatte er die Schule geschmissen, um zusammen mit seinen Brüdern ganztags in der Autowerkstatt seines Vaters herumzuschrauben, und er blieb bei dieser Erklärung für sein Äußeres, obwohl er seit Jahren nicht mehr an einem Auto oder Lastwagen gearbeitet hatte. Was Mark Spitz zu der Ansicht brachte, dass das, was sie da sahen, der ursprüngliche Dreck war, der Urdreck aus Garys Jugend, bewahrt als Andenken an zu Hause. Es war das, was er von der Vergangenheit abgekratzt hatte und mit sich herumtrug.
Gary stupste das Marge mit seinem
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