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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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robuste Lederkleidung, wie sie von überzeugten Motorradfans und deren Nachahmern bevorzugt wurde –, aber sie hatten Besseres zu tun, als Kindermädchen zu spielen. Kaitlyn mit ihrer Aufseherinnenmentalität behielt die beiden Männer, die ihr unterstanden, scharf im Auge, besonders Gary, und das aus gutem Grund. Er war schon vor der Entstehung der Lager ein mit allen Wassern gewaschener Bandit gewesen, und außerdem fand er ziemliches Vergnügen an dem schrillen Ton, mit dem Kaitlyn einen maßregelte.
    Buffalo rief eine ganze Abteilung ins Leben, die sich der Gewinnung von Sponsoren widmete, wann immer Firmenvertreter auftauchten; dafür sicherte man ihnen Steuervergünstigungen zu, sobald der große Schnitter seine Hippe niederlegte und alles wieder seinen gewohnten Gang ging. (Weitere Wohltaten, von denen die Öffentlichkeit nie erfahren würde, versteckten sich im Kleingedruckten.) Es gab verständliche Schwierigkeiten beim Aufspüren von Überlebenden mit Verfügungsmacht über, beispielsweise, die größte Arzneimittelkette oder den größten Fahrradhersteller des Landes, doch ab und zu kam einer ins Lager spaziert, mit den typischen Narben, aber durchaus bereit, seinen Beitrag zu leisten. Im Allgemeinen legten sie eine Preisobergrenze fest oder gaben ein bestimmtes, nicht allzu teures Produkt aus ihrer Markenfamilie vor, aber man wusste ihre Opfer trotzdem zu schätzen. Eine Firma spendete alle ihre winzigen Packungen mit Kinderapfelmus in sämtlichen weit verstreuten Lebensmittelläden und Minimärkten des Landes? Kein Problem: Das Verfallsdatum war sowieso schon lange überschritten. Die Zivilisten draußen in der Wildnis, die nichts von den Vorschriften wussten, würden mit der Zeit wieder ins System eingegliedert werden, und sie würden gehorchen.
    Socken. Jawohl, Socken. Die Aussicht auf einen schönen neuen Dreierpack Sportsocken munterte Mark Spitz noch jedes Mal auf.
    Der Lieutenant sagte: »Irritierend viele von euch gehen mir damit auf den Geist, dass sie sich aus dem Einsatzgebiet nach dem aktuellen Stand erkundigen, obwohl ich euch zigmal gesagt habe, ihr sollt die Kommunikationskanäle freihalten, deswegen jetzt hier das Neueste: Die Tromanhauser-Drillinge sind nicht mehr auf der Intensivstation.«
    Alles applaudierte. Kaitlyn dankte Gott. An ihrem ersten Abend in der Zone hatte Mark Spitz sie beim Beten überrascht. Sie hatte beim Fädeln mit Zahnseide innegehalten, um sich, den weißen, nach Minze schmeckenden Faden um den Zeigefinger geschlungen, an ihren Gott zu wenden. Es war ihr peinlich, obwohl die meisten Leute aus naheliegenden Gründen mit Beten angefangen oder die Häufigkeit ihrer Gebete gesteigert hatten. In früheren Zeiten war die Religion ein Tabuthema gewesen, doch inzwischen kam es in belagerten Kaufhaus-Lagerräumen und auf den Dachböden zerbröckelnder viktorianischer Anwesen im Mittleren Westen zu spontanem Proselytentum, während die verbarrikadierten Überlebenden sich über Gottheiten und Jenseits-Hypothesen austauschten. Das verkürzte die Zeit bis zum Morgen und der Wiederaufnahme des Fehdehandschuhs. Kaitlyn entschuldigte sich und sagte: »Ich will einfach nur, dass es ihnen gutgeht«, und Mark wusste, sie sprach von den Drillingen. Sogar Gary äußerte Anteilnahme an ihrem Gedeihen, denn sie waren wie er und seine Brüder natürliche Mehrlinge in einer Zeit, in der so etwas, wie er es formulierte, »von diesem Scheiß mit der künstlichen Befruchtung herabgewürdigt« worden war. »Die werden erleben, was wir erleben«, sagte er, »und wie es für unsereinen ist.«
    Mark Spitz klatschte halbherzig in die Hände. Während der Katastrophe hatte sich Doris Tromanhauser die Zeit in Trenton in der Zweigstelle einer angesehenen internationalen Bank vertrieben, Teil einer eingebunkerten Gruppe, die einem leicht zu befestigenden, eindrucksvollen Steinbau mit messingbeschlagener Tür die Treue hielt, beides Überbleibsel aus einer Zeit, in der die Kunden bei der Währungsreserve ihres Wohnviertels mehr Wert auf Undurchdringlichkeit als auf die Transparenz gläserner Wände gelegt hatten. (Die aktuellen Ereignisse machten dieser Debatte dann endgültig ein Ende.) Die tapfere Schar schwand dahin, während man gezwungen war, die unvermeidlichen Ausfälle zu unternehmen; das entsprechende Szenario – die unaufhörlichen Verluste – war allen im Jiaozi-Restaurant Anwesenden wohlbekannt. Schließlich waren nur noch Doris und einer der Männer, bei dem es sich um den Vater der

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