Zonta-Norm regelwidrig
allen Seiten auf mich eindrang. Der Luftstrom hatte begonnen, Wirbel zu bilden. Ich spürte, wie der Druck, der bisher auf mir gelastet hatte, schwächer wurde. Statt dessen packten mich in immer kürzeren Abständen wirbelabhängige Kräfte, die mich aufzuheben und in den Luftstrom hineinzureißen drohten.
Ich konnte nicht länger untätig hier liegen. Die riesige Halle war noch längst nicht mit Luft gefüllt. Es mochten Stunden vergehen, bis der tödliche Sturm endete. Inzwischen hatten uns die wirbelnden, wütenden Gasmassen längst in die Tiefe gerissen. Ich mußte handeln. Ich – mit meinem Individualschirm – war außer Hannibal ohnehin der einzige, der in dieser Lage handeln konnte. Mein Plan stand fest, und es war kein Plan, der mir Vergnügen bereitete.
»Haltet euch fest!« schrie ich gegen das ohrenbetäubende Tosen des Sturms. »Ich will Abhilfe schaffen!«
Hannibal versuchte mit mir in Verbindung zu treten. Ich spürte seinen stechenden Mentalimpuls, reagierte jedoch nicht darauf. Er wollte mich warnen, aber ich hatte keine Zeit mehr, auf Warnungen zu hören. Vorsichtig machte ich mich auf den Weg. Zentimeter um Zentimeter schob ich mich seitwärts, immer näher an die gefahrdrohende Kante hinan, jenseits deren es vierhundert Meter weit in die tödliche Tiefe ging.
An was ich mich festhielt, daran erinnere ich mich heute nicht mehr. Um mich herum war wallender, irrsinnig rasch dahinstreifender Nebel: Luftfeuchtigkeit, die in der eisigen Kälte des Mondinnern kondensiert war. Die Sicht reichte nicht einmal fünf Meter weit. Aber ich brauchte keine Sicht. Ich wußte, wo unten war, und mehr brauchte ich in dieser Lage nicht zu wissen.
Mehrmals packte mich ein Wirbel und drohte mich in die Tiefe zu schleudern. Aber jedesmal schaffte ich es durch eine rechtzeitige Gewichtsverlagerung, mich aus dem drohenden Griff zu befreien. Schließlich hatte ich die Kante erreicht. Mühselig löste ich den Rak-Karabiner aus der Öse. Der tobende Luftstrom wollte mir die Waffe aus der Hand reißen; ich aber hielt fest. Mit unglaublicher Mühe brachte ich es schließlich fertig, den Lauf der Waffe nach unten in den Schacht zu richten. Einem inneren Impuls folgend, schaltete ich meinen Individualschirm ein.
Dann begann ich zu feuern. Peitschend und heulend, deutlich hörbar jetzt, seitdem der Schacht mit Luft erfüllt war, schossen die leuchtenden Projektile in die Tiefe. Ich hörte, wie sie sich grollend und donnernd auf der Sohle des Schachtes entluden. Der Lärm, den sie entfachten, übertönte sogar das Heulen des Sturms. Waberndes, blauweißes Leuchten drang durch den mit Sturmeseile dahinziehenden Nebel.
Ich aber feuerte und feuerte. Ein Magazin leerte sich. Das war ein Problem. Ich trug Ersatzmagazine bei mir; aber jede Bewegung, die ich machte, setzte mich von neuem der Gefahr aus, von den wirbelnden Böen mitgerissen zu werden. Ich hörte einen gellenden Schrei, der nach einer halben Sekunde wieder abriß: Später erfuhr ich, daß einer von Listermans Leuten um ein Haar in die Tiefe gerissen worden wäre, wenn ihn sein Nebenmann nicht rechtzeitig am Bein gepackt und festgehalten hätte.
Das neue Magazin rastete ein. Ich begann von neuem zu feuern. Minirak um Minirak huschte glutend in die Tiefe. Wie lange noch? Wie lange brauchte man, um den Grund des Schachtes so mit Glut zu füllen, daß sich die Mündung eines drei Meter hohen Ganges schloß?
Plötzlich packte es mich. Der reißende Wirbel traf mich ohne jede Vorwarnung. Im Nu hatte ich den festen Halt unter mir verloren. Ich fühlte mich schwerelos, der Magen drückte mir gegen die Rippen. Um mich war nur noch treibender Nebel, die spiralförmigen Konturen der
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