Zonta-Norm regelwidrig
schien es mir, als könne ich das obere Ende des Schachtes undeutlich sehen; aber ich war meiner Sache nicht sicher, ebensowenig wie die andern, die genauso wie ich immer sehnsüchtiger in die Höhe starrten, um zu ermitteln, wann und wo unsere Klettertour endlich zu Ende sein würde.
Immerhin war zu begrüßen, daß es auf unserem Marsch bislang noch keine Zwischenfälle gegeben hatte. Als wir vor Stunden aus der Halle aufbrachen, in der uns die »1418« abgesetzt hatte, war wohl keiner unter uns, der nicht erwartet hätte, in allernächster Zukunft drohenden Gefahren gegenüberzustehen. Dabei waren wir in stetigem Tempo Kilometer um Kilometer vorgedrungen und hatten uns unserem Ziel genähert, ohne auch nur auf ein einziges Hindernis zu stoßen.
Mit solcherlei Gedanken wiegte ich mich in eine selbstgefällige Ruhe. Ich trottete mehr oder weniger stumpfsinnig vor mich hin und überließ es Hannibal, seine Mentalfühler nach allen Richtungen auszustrecken. Aber auch Hannibal hatte keinerlei Vorahnung des kommenden Unheils. Er konnte mich nicht warnen, weil er nicht wußte, was auf uns zukam.
Diesmal schlug der Gegner mit brutaler Wucht zu. Das erste, was ich fühlte, war ein mörderisch harter Schlag, der den ganzen Körper traf und mich hilflos zu Boden schleuderte. Ein schrilles Heulen drang mir ins Bewußtsein, ein Geräusch, das es im Vakuum der alten Marsfestung gar nicht hätte geben dürfen …
4.
Es ist merkwürdig, wie der menschliche Verstand manchmal funktioniert. Im ersten Augenblick war ich noch völlig verwirrt und ratlos. Aber eine Zehntelsekunde später – oder hatte es wirklich so lange gedauert? – wußte ich genau, womit wir es zu tun hatten. Das frenetische Heulen hatte die Taktik des Gegners entlarvt. Ich hörte einen entsetzlichen Schrei in meinem Helmempfänger, den Schrei eines Menschen, und gleichzeitig sah ich undeutlich eine schattenhafte Gestalt an mir vorbei in die Tiefe schießen.
Ich selbst hatte mich auf dem Boden flach gemacht. Eine unwiderstehliche Gewalt preßte mich gegen den Fels, aus dem die Rampe gehauen war. Ich hörte mich schreien:
»Flach hinlegen! Schnell! Den Bauch gegen den Boden! Sucht euch Halt!«
Die Warnung war eine rein instinktive Reaktion. Ich hatte die Gefahr erkannt und teilte den andern mit, wie sie zu bannen war. Das Heulen, das ich hörte, kam von einer Lawine hochbeschleunigter Gase, wahrscheinlich Luft, die von oben nach unten durch den Schacht brauste. Wir wußten, daß die Marsianer in ihre sublunare Stadt riesige Drucktanks eingebaut hatten, die es ihnen ermöglichten, Teile der Stadt – besonders diejenigen, in denen Marsianer wohnten und arbeiteten – atmosphärisch zu befluten.
Einer dieser Tanks war vor kurzem geöffnet worden. Die expandierenden Gase nahmen den Weg des geringsten Widerstandes: Sie strömten in die riesige Halle, in der die »1418« gelandet war. Mit unwiderstehlicher Wucht waren sie auf uns geprallt und hatten uns von den Beinen gerissen. Für mich gab es keinen Zweifel, daß es sich hier nicht um einen zufälligen Vorgang, sondern um einen gezielten Angriff handelte. Der Aufprall der Luftmassen hatte uns in die Tiefe reißen sollen. Vierhundert Meter Sturz, dazu noch die zusätzliche Beschleunigung, die die tobenden Gasmassen ausübten, reichten aus, um selbst den widerstandsfähigsten Menschen unten auf der Sohle des Schachts zu zerschmettern.
Das Schreien in meinem Helmempfänger war längst verstummt. Ohnmächtige Wut packte mich bei dem Gedanken, daß dieser heimtückische Angriff uns bereits ein Menschenleben gekostet hatte. Hinzu kam das immer lauter werdende Stöhnen, das von
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