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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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einem Kinderwagen zog ihre drei Kinder zur Seite. Die Mädchen trugen lange Röcke, die Buben Lockenschläfen und auf dem Kopf die Kippa. Robert lief wie damals, als er mit Hermann durch die Nacht floh. Von Oerlikon gegen Affoltern. Polizeisirenen rundum, Blaulichtblitze. Hermann keucht. Er schiebt ihn, als er nicht mehr kann. Nicht Schlapp machen, Hermi! Durchhalten! Doch beim Zehntenhausplatz fährt die Polizei von beiden Seiten ein. Sie geben auf.
    Ausser Atem blieb Robert stehen. Ein Paar auf Velos sauste dicht an ihm vorüber. Sonst war der Weg am Fluss verlassen, keine Verfolger, keine Sirenen. Die Sihl führte Hochwasser. Braun wirbelte es um die Betonsäulen der Hochstrasse, die über den Fluss hinwegführte und dann unvermittelt aufhörte. Eine Fehlplanung, hart umkämpft, erinnerte er sich. Die nie vollendete Autobahn mitten durch die Stadt. Sein keuchender Atem beruhigte sich. Er grüsste eine alte Dame, die einen kleinen weissen Hund an der Leine führte. Die neue Gänsedaunenjacke gab schön warm. Dann lief er weiter.

    Das Vernehmungszimmer auf der Hauptwache sah aus wie vor vierzig Jahren, kahl und mit feinen Rissen im Verputz. Irgendwann hatte man es neu gestrichen, jetzt herrschte Rauchverbot. Pippo biss sich in den Daumen. Er brauchte dringend eine Zigarette, doch der Untersuchungsrichter zeigte kein Erbarmen. «Das ist also die neue Art der Folter», presste er hervor.
    Amacher stiess ihn an. «Mein Mandant ist müde. Ich beantrage eine Zigarettenpause.»
    «Wir sind gleich so weit.» Der Herr im feinen Anzug und der roten Fliege tippte bedächtig weiter auf seinem Laptop. Mit zwei Fingern, als ob er mit seiner Langsamkeit das Verhör ausdehnen wollte, bis der süchtige Raucher schwach wurde.
    «Wer war der Mann, der mit Ihnen Herrn Tscharner angegriffen hat?» Die Frage war an den Laptop gerichtet. Er erwartete offenbar keine Antwort.
    «Mein Mandant hat bereits zu Protokoll gegeben, dass er Tscharner nicht angegriffen hat.»
    «Sie haben meine Frage nicht verstanden, Herr Doktor Amacher.»
    «Es war keine Frage, sondern eine Unterstellung.»
    «Herr Schwyter hat doch zugegeben …»
    «Gar nichts hat er zugegeben. Falls Sie so etwas protokolliert haben, wird er nicht unterschreiben.»
    «Also gut. Wer war mit Ihnen in der Toilette auf dem Uetliberg, zur Zeit, als Tscharner angegriffen wurde? Name? Adresse?»
    «Herr Schwyter ist nicht verpflichtet, auf diese Frage zu antworten.»
    Amacher redete wie ein Roboter, hatte auf jede Frage eine in hundert ähnlichen Situationen vorbereitete Antwort. Der Untersuchungsrichter kannte sie, bevor er sie hörte. Es war ein Spiel wie eine Partie Schach unter Freunden. Drohen, ziehen, schlagen. Die beiden verkehrten in denselben Bars der Stadt, waren in derselben Partei, bei den Sozis. Im Spiel waren sie die härtesten Gegner, nach Feierabend sassen sie beim Whisky zusammen, sprachen über Frauen, Autos und Börsenkurse.
    Das Handy des Untersuchungsrichters spielte die ersten Takte der Marseillaise. Er nahm den Anruf entgegen, entschuldigte sich, stand auf und ging ein paar Schritte zur Tür. Hörte zu, sagte zwischendurch ein Wort hinter vorgehaltener Hand.
    «Aha! … Ja, danke … Ja, werde ich …»
    Dann setzte er sich, lehnte sich im Sessel zurück, verschränkte seine Arme und sah Pippo an. «Der Mann, der mit Ihnen war, hiess Robert Brönimann.»
    «Ist das eine Frage?», brauste Amacher auf.
    «Sie können das als Frage fürs Protokoll betrachten. Antworten wird Ihr Mandant ohnehin nicht.»
    Pippo sah zu Amacher, sein Eierkopf deutete ein Nicken an.
    «Meine letzte Frage, Herr Schwyter. Ihre Antwort kann eine eventuelle U-Haft beeinflussen.»
    Amacher pochte auf den Tisch. «Keine Drohungen! Das weisst du genau.»
    Der Untersuchungsrichter blieb gelassen. «Ich verstehe Ihren Einwand nicht, Herr Doktor. Könnten Sie ihn bitte präziser formulieren?» Er legte seine Finger auf die Tastatur.
    «Die Bemerkung mit der U-Haft war total fehl am Platz.»
    «Also gut, Herr Schwyter. Meine letzte Frage. Kennen Sie Robert Brönimann?»
    Pippo klaubte sich mit Daumen und Zeigefinger in einen Nasenflügel. Sie wussten also, dass Robert dabei gewesen war. Hatten ihn vielleicht schon verhaftet. Die Frage gehörte zum Spiel, eine Fangfrage. Sie hatten den Flyer unterschrieben. Bestimmt hatte auch Tscharner ausgesagt, Namen genannt. Er lag im Triemlispital, ziemlich lädiert, hatte er erfahren, aber nicht schwer verletzt. Tscharner hatte Robert erkannt. Sein

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