Zorn - Tod und Regen
Befragung?«
»Er«, sagte Zorn ohne Zögern und nickte Schröder zu. Der Gedanke, Malinas Onkel selbst befragen zu müssen, war ihm zuwider.
»Ich möchte, dass wir vorher die Strategie durchsprechen.«
Schröder setzte zum Reden an, doch Zorn kam ihm zuvor: »Oh, die Strategie ist einfach, Frau Staatsanwältin. Schröder wird ihn fragen, ob er die Morde begangen hat. Wenn er es zugibt, verhaften wir ihn und haben den Fall gelöst.«
Zu Zorns Überraschung lachte Frieda Borck laut auf. »Okay. Ich habe Sie eben vielleicht ein wenig hart angefasst und kann verstehen, dass Sie beleidigt sind.«
»Ich bin nicht beleidigt.«
Nein, das bin ich wirklich nicht, dachte Zorn. Du hast mich eben runtergeputzt, als wären wir in der Vorschule und ich hätte meine Hausaufgaben vergessen. Und Schröder hat alles mit angesehen. Ich könnte dich erwürgen, Frieda Borck.
Erwürgen.
»Egal«, erwiderte sie. »Wir können es uns jedenfalls nicht leisten, uns gegenseitig das Leben mit irgendwelchen Kindereien schwerzumachen, Herr Hauptkommissar. Wir alle sind im Stress.«
Zorn versuchte, eine undurchdringliche Miene aufzusetzen, dachte nach und kam zu dem Schluss, dass sie recht hatte. Sie war jung und unerfahren, aber er hatte bereits festgestellt, dass sie nicht dumm war.
»Es stimmt, wir sollten uns auf die Arbeit konzentrieren, Frau Borck. Und ich nehme Ihre Entschuldigung an.«
»Das war keine Entschuldigung.«
Er hob die Augenbrauen. »Was war es dann?«
»Nennen wir es eine taktische Maßnahme, um meine Untergebenen besser zu motivieren.«
Schröder ließ ein kurzes Kichern vernehmen. Zorn warf ihm einen wütenden Blick zu, worauf er sofort verstummte und sich scheinbar schuldbewusst auf die Unterlippe biss.
Die Staatsanwältin sah auf ihre Armbanduhr. »Also. Was denken Sie über diesen Mirko Stapic, Herr Hauptkommissar?«
Zorn räusperte sich und erwiderte ausweichend: »Ich denke, dass wir mehr wissen, wenn wir ihn vernommen haben. Und natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass Philipp Sauer Stammkunde in seiner Bar gewesen ist.«
»Deswegen sollten wir auch das Personal befragen.«
Malina. Auch sie musste vernommen werden, es ließ sich nicht umgehen. »Das übernehme ich.«
»Gut. Stapic ist Kroate. Der Vater des Kindes von Sigrun Bosch …«
»… war Ausländer«, unterbrach Zorn. »Das ist mir bewusst.«
»Sie fühlte sich laut ihren Aufzeichnungen von ihm bedroht.«
»Das macht Stapic noch lange nicht verdächtig.«
»Wenn ich etwas anmerken dürfte«, meldete sich Schröder aus dem Hintergrund, »es gibt nicht nur einen Ausländer.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Ausnahmsweise nicht, Chef. Ich meinte, dass außer Stapic noch weitere Personen mit diesem Fall in Verbindung stehen. Doktor Prakash zum Beispiel, der behandelnde Arzt von Ella Mahler. Er ist Pakistani.«
»Wir können nicht jeden Ausländer überprüfen, der uns bei der Ermittlung über den Weg läuft, Schröder. Dann sind wir Weihnachten noch nicht fertig.«
Schröder steckte die Hände in die Hosentaschen. »Ich wollt’s auch nur gesagt haben.«
»Das hast du jetzt.«
»Also, meine Herren.« Frieda Borck ging zum Fenster und schloss es mit einem resoluten Knall. »Ich lasse Sie jetzt allein. In einer halben Stunde erwarte ich einen kurzen, schriftlichen Plan über unser weiteres Vorgehen.« Sie streckte Zorn den Zeigefinger entgegen. »Und sollte ich Sie hier noch einmal beim Rauchen erwischen, lernen Sie mich kennen.«
Sie rauschte aus dem Büro.
Gott, wie ich es hasse, wenn mir jemand sagt, was ich zu tun habe, dachte Zorn.
»Du kannst gehen«, sagte er zu Schröder. »Schreib irgendwas zusammen, damit sie sich beruhigt. Ich muss telefonieren.«
Schröder wandte sich schulterzuckend zur Tür.
»Und noch was.«
»Ja, Chef?«
»Besorg mir einen neuen Aschenbecher.«
*
»Das ist eine stinknormale Befragung, Malina. Ich musste dich herbestellen. Es ist besser, wir beide reden über die Sache, als dass dich irgendein anderer im Präsidium vernimmt.«
Sie saßen an dem kleinen Tisch in der Ecke, dort, wo Zorn sich manchmal mit Schröder besprach. Malina war blass, sie schien aufgeregt und unsicher in dieser ungewohnten Umgebung. Zorn nahm ihre Hand und streichelte sie vorsichtig. Er spürte, wie ihre Finger zitterten. Sie wurde ein wenig ruhiger und sah sich in seinem Büro um.
»Hier arbeitest du also den ganzen Tag?«
»Ganz schön trostlos, oder?«
»Kein Wunder, dass du manchmal so knurrig bist.«
Er lächelte.
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