Zorn - Tod und Regen
sah Schröder an.
»Darauf können Sie Ihren ergrauten kroatischen Arsch verwetten.«
Ella Mahlers Schreie waren in ein leises Wimmern übergegangen.
»Halt’s Maul«, sagte Stapic leise zu ihr, ohne Schröder aus den Augen zu lassen.
Das Mädchen schluckte und schwieg.
Schröder versuchte, sie zu beruhigen. »Alles ist gut, Ella. Mach dir keine Sorgen, wir werden gleich –«
Der Kroate reagierte blitzschnell.
Mit dem linken Unterarm schlug er die Waffe beiseite, im selben Moment rammte er Schröder das Messer bis ans Heft in den Unterleib. Polternd landete die Pistole auf dem Boden. Stapic schob sie mit dem Fuß beiseite und trat einen Schritt zurück.
»Du kannst ruhig schreien, kleiner Mann.«
Schröder gab keinen Laut von sich. Mit beiden Händen umklammerte er das Messer und versuchte, es aus seinem Bauch zu ziehen.
Der Kroate sah ihm interessiert zu. »Der Stich sitzt genau in der Leber. Ich habe gehört, dass es dort besonders schmerzt. Stimmt das?«
Schröder war blass geworden. Dicke Schweißtropfen glänzten auf seinem Gesicht. Ein dünner Blutfaden rann ihm aus dem Mundwinkel und tropfte auf das karierte Hemd. Er versuchte, etwas zu sagen, doch es ging in einem gurgelnden Krächzen unter.
Stapic trat zu ihm und hielt das Ohr dicht an seinen Mund. »Ich kann dich nicht verstehen, Jungchen.«
Schröder schloss die Augen. Öffnete sie wieder, nahm alle Kraft zusammen und flüsterte heiser: »Leck … mich … am …«
Schaumige Blasen bildeten sich auf seinen Lippen. Zu seinen Füßen entstand eine dunkle, ölige Pfütze.
Stapic lachte leise auf. »… Arsch? Ich soll dich am Arsch lecken, Herr Polizist?«
Schröder nickte. Dann sank sein Kopf kraftlos gegen Stapics Schulter. Der klopfte ihm leicht auf den Rücken, als wolle er ihn trösten.
»Du gefällst mir. Du bist ein tapferer, kleiner Mann.« Er langte nach unten, nahm das Messer am Griff und drehte es langsam in der Wunde. »Und jetzt? Willst du immer noch nicht schreien?«
Schröder stöhnte leise auf und sank in die Knie.
Stapic nickte anerkennend und hockte sich vor ihm nieder. »Es ist gut, dass du nicht um Gnade winselst.« Er legte Schröder die Hand in den Nacken, nahm seinen Kopf und zog ihn an seine Schulter.
»Ich habe selten jemanden gesehen, der so stirbt wie du. Du kannst stolz sein, Kleiner. Ich habe dich unterschätzt, du bist ein wahrer Mann.«
Mit einem Ruck riss er das Messer nach oben. Dann stand er auf und trat einen Schritt zurück. Schröder kniete vor ihm, die Hände hingen schlaff an seiner Seite. Der Messergriff ragte grotesk aus dem dicken Bauch hervor. Er versuchte erneut, etwas zu sagen, stattdessen ergoss sich ein dicker Blutschwall aus seinem Mund. Schröder schwankte ein paarmal vor und zurück, dann kippte er nach vorn und schlug mit dem Gesicht auf den Boden. Sofort bildete sich eine Blutlache, die rasch größer wurde.
Stapic sah einen Moment auf ihn hinab, dann wandte er sich an Ella Mahler, die wie paralysiert in ihrem Rollstuhl saß.
»Er ist gut gestorben«, sagte er ernst. »Ich hoffe, dein Vater ist ebenso tapfer.«
Fünfundzwanzig
Die Ruine des alten Gasometers lag auf einem Hügel in der nördlichen Innenstadt, inmitten eines verfallenen, mit dornigem Gestrüpp überwucherten Industrieareals. Ein kreisrunder, riesiger Bau, dessen morsche, vom Alter geschwärzte Ziegelsteinwände hoch in den nächtlichen Himmel ragten. Vom ehemaligen Gaswerk standen nur noch ein paar halb verfallene Bürogebäude, ein Teil war saniert worden und wurde von einem Autohaus genutzt, dessen blaues Volkswagen-Emblem sich weithin sichtbar auf einem Schornstein hoch oben in der Luft drehte.
Ein Großteil der Stadt stand jetzt unter Wasser, der Fluss war über sie gekommen wie ein wütendes, schäumendes Tier. Hier, weiter oben, war von all dem Chaos und der Zerstörung nichts zu spüren.
Die regennassen Mauern des Gasometers glänzten im Licht der Laternen, die vor ein paar Jahren auf dem Gelände aufgestellt worden waren. Damals hatte hier die Eröffnung eines internationalen Theaterfestivals stattgefunden, die Stadt hatte einen Parkplatz errichten und den Innenraum sanieren lassen. Die Graffitis waren entfernt worden, Blumen wurden gepflanzt und die Außenwände neu verfugt. Zur Eröffnung kamen Hunderte Menschen in den Gasometer, dessen riesiger Innenraum wie ein Amphitheater wirkte. Die Bürgermeisterin hielt eine Rede und sprach von einem neuen Kulturzentrum der Stadt.
Es folgten noch einige
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