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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Spurensicherung, anschließend mit dem Pathologen. Später hat er die Akten mit den Zeugenbefragungen durchgelesen.
    Ohne Erfolg. Sie haben nichts Neues.
    Es ist dunkel, nur eine Kerze flackert auf dem niedrigen Glastisch. Man sieht nicht, dass Schröder die Augen geschlossen hat, das Licht ist zu schwach, um sein Gesicht zu erreichen. Er hat sich zurückgelehnt, die linke Hand liegt auf dem Bauch und streicht vorsichtig über das karierte Hemd, da, wo die Narbe ist. Sein Atem geht langsam, im Takt mit der Musik. Das dünne Haar, auf das er sonst so sorgfältig achtet, hängt ihm in wirren rötlichen Strähnen ins Gesicht.
    Als Schröder aufsteht, tanzt seine gedrungene Gestalt als grotesker Schatten an der Wand.
    *
    Zur selben Zeit steht Martha Haubold im Badezimmer. Eric ist nebenan und sieht fern, spitze Frauenschreie und das dumpfe Geballer eines Actionfilms dringen durch die dünnen Wände.
    Ihre Eltern sind nicht da, mal wieder. Vielleicht sitzen sie gerade beim Italiener, vielleicht auch im Theater, es ist ihr egal. Gestern hat ihre Mutter erzählt, dass sie in die Oper wolle, zu irgendeiner Premiere (sie liebt Opern), wahrscheinlich haben sie stundenlang in einer Loge gesessen und dieses erbärmliche Gejaule angehört. Jetzt werden sie im Foyer herumstehen, der Vater im Anzug, die Mutter im Abendkleid, ein Glas Sekt in der Hand, dummes, nichtssagendes Zeug redend. Mit dem Regisseur oder einem der Sänger. Oder jemandem, der wichtig aussieht.
    Jetzt fällt es ihr wieder ein: Komm doch mit, hat ihr Vater, der Architekt, gesagt. Es wird dir gefallen. Wir haben früher so viel zusammen unternommen, jetzt sehen wir uns kaum noch.
    Martha lacht leise.
    Es ist ihr egal, was ihre Eltern tun. Scheißegal, schließlich kümmert es Vater und Mutter auch nicht, was sie, Martha, den ganzen Tag treibt.
    Sollen sie verrecken, die Heuchler.
    *
    Schröders Küche ist nur durch einen Vorhang vom Wohnzimmer getrennt. Eigentlich ist es eher eine Kochnische, sie bietet gerade genug Platz für die Spüle und den schmalen Elektroherd mit den zwei Platten.
    Auch hier macht er kein Licht. Er nimmt eine Teekanne aus dem Regal und setzt Wasser auf. Holt einen Löffel, den Zucker, eine Tasse. Ruhige, routinierte Bewegungen auf engem Raum, die er schon tausendmal ausgeführt hat. Aber er ist langsamer als sonst, irgendwie steif, als wäre er zehn Jahre älter. Die ausgebeulte Hose hängt ihm tief auf den Hüften, er ist dünner geworden.
    Die Kontrolllampe am Herd glüht und lässt sein Gesicht rötlich schimmern, als stünde es in Flammen. Er lehnt sich an die Spüle und wartet, dass das Wasser zu kochen beginnt.
    Leise klingt die Musik aus dem Nebenzimmer.
    Paganini. Schröder mag ihn.
    Angeblich war er verrückt.
    *
    Es ist heiß im Bad. Martha hat gerade geduscht. Sie hat den Bademantel ihrer Mutter an, um das nasse Haar hat sie ein Handtuch geschlungen und zu einem Turban aufgerollt. Ihr Körper ist gerötet, das liegt nicht nur am heißen Wasser. Sie hat sich überall geschrubbt, mit einer harten Bürste. So lange, bis sie glaubte, das Blut unter der dünnen Haut pulsieren zu sehen. Bis sie den Schmerz kaum noch aushielt.
    Das macht sie immer, seit sie denken kann.
    Sie wischt mit der Handfläche über den beschlagenen Spiegel. Sieht ihr Gesicht, ein wenig verschwommen, aber doch klar genug. Einen Moment hält sie dem eigenen Blick stand, dann verzieht sie den Mund und wendet sich ab. Setzt sich auf den Wannenrand und putzt die Zähne.
    Eric scheint zu schlafen, den Fernseher jedenfalls hat er ausgeschaltet, das Geballer nebenan hat aufgehört. Es ist still, bis auf das Kratzen der Zahnbürste. Dann springt die Lüftung an. Martha geht zum Waschbecken und spült den Mund aus.
    Dabei fällt ihr Blick auf die Nagelschere.
    *
    Das Wasser auf dem Herd fängt langsam zu brodeln an. Schröder bemerkt es nicht, er lehnt an der Spüle und starrt vor sich hin. Ein kleiner Mann, der wirkt, als wäre er überall fehl am Platz, selbst hier, in seiner eigenen Küche. Er scheint weit weg zu sein, irgendwo, an einem Ort, an den ihm niemand folgen kann. Auch seine Gedanken sind woanders, und es sieht nicht so aus, als ob es gute Gedanken wären: Seine Kiefer mahlen, er hat die Arme vor der Brust verschränkt, seine Hände umklammern die Ellenbogen, so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortreten. Er murmelt vor sich hin, einen Satz, der nicht zu verstehen ist, er wiederholt ihn immer und immer wieder. Wie ein Mantra, eine

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