Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
Chef.«
Zorn kramte seine Zigaretten hervor. Er hatte keinen Schimmer, wie er auf Schröders Einsilbigkeit reagieren sollte. Irgendetwas stimmte nicht, das war klar. Aber was?
»Ist alles okay bei dir?«
Ein reichlich hilfloser Versuch, um ein persönliches Gespräch zu beginnen. Zorn, der Einzelgänger, konnte es leider nicht besser.
»Natürlich.« Schröder kratzte die bandagierte Hand. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Ich meine«, Zorn sah zu den Baumwipfeln empor, »irgendwie habe ich das Gefühl, dass du«, ein Blick zum Nachbartisch, an dem ein junges Pärchen händchenhaltend die Köpfe zusammensteckte, »dass du nicht ganz bei der Sache bist.« Ein tiefer Zug aus der Zigarette. »Du wirkst so abwesend, und …«
»Ja, Chef?«
»Ich meine, du musst mir Bescheid sagen.«
»Wobei?«
»Na ja.« Zorn verlor den Faden und fuchtelte hilflos mit der Zigarette durch die Luft.
Der Kellner brachte die Getränke. Zorn wäre ihm fast um den Hals gefallen, so dankbar war er für die Unterbrechung.
»Kann ich sonst noch etwas für die Herren tun?«
Zorn schüttelte den Kopf und griff hastig nach dem Bier.
»Was hätten Sie denn im Angebot?«, fragte Schröder den Kellner.
»Knabbergebäck, zum Beispiel.«
»Knabbergebäck?«
»Ja«, bestätigte der Zerknitterte. »Wir haben Knabbergebäck.«
Schröder hob die Augenbrauen.
»Möchtest du Knabbergebäck, Chef?«
Zorn wischte sich den Mund ab.
»Ich? Nee, ich will kein Knabbergebäck.«
»Nein, danke«, wandte sich Schröder an den Kellner. »Wir möchten nicht knabbern.«
»Dann kein Knabbergebäck. Sehr wohl.«
Der Kellner rauschte von dannen.
Aus den Lautsprechern drang ein uralter Schlager. Udo Jürgens teilte schluchzend mit, dass eine gewisse Gabi im Park auf jemanden warte, der aber nie kommen würde. Schröder horchte auf, lächelte und summte leise mit.
»Gefällt dir der Mist?«, wunderte sich Zorn.
»Warum nicht? Es gibt Tausende Menschen, die das mögen. Sie werden ihre Gründe haben.«
Darauf wusste Zorn keine Antwort. Eine halbe Minute saßen sie schweigend da und tranken. Schröder trommelte im Takt mit den Fingern auf der Tischkante, während Zorn überlegte, wie er sich ausdrücken sollte. Er wälzte die Worte in seinem Kopf, sie gehorchten nicht, es wollte ihm nicht gelingen, sie in die richtige Reihenfolge zu bringen, sie waren wie Sand, er konnte nur zusehen, wie sie ihm durch die Finger rannen.
Dann wusste er endlich, was er sagen sollte, jetzt musste es nur noch heraus. Er konzentrierte sich wie ein Sprinter, der auf den Startschuss wartet. Zählte bis drei und nahm allen Mut zusammen. Es war schlimmer als eine Liebeserklärung.
»Du musst mir sagen, wenn ich dir helfen kann. Ich bin da, wenn du mich brauchst.«
Endlich. Jetzt war es geschafft.
Schröder hörte auf zu klopfen. Seine Finger schwebten über der Tischkante.
»Chef«, sagte er sanft. »Ich weiß das zu schätzen. Vor allem, weil ich weiß, wie schwer dir das fällt. Danke. Aber ich brauche keine Hilfe.«
»Wirklich?«
»Sagen wir’s so: Wenn es jemanden gäbe, wärst du der Erste, zu dem ich gehen würde.«
Scheiße, dachte Zorn und spürte einen Kloß im Hals. Warum ist mir der Typ so wichtig?
Schröder lächelte und hob sein Glas. »Lass uns anstoßen.«
»Worauf?«
»Auf uns.«
Ein leises Klirren, als die Gläser aneinander schlugen.
»Und jetzt wollen wir über die Arbeit reden, Chef. Dazu sind wir doch hier, oder?«
»Ja«, nickte Zorn erleichtert. »Lass uns über die Arbeit sprechen.«
*
ich bin wach ich bin unterwegs vorsicht
*
»Insgesamt können wir also sagen, dass wir nichts wissen, richtig?«
»Das trifft es auf den Punkt, Chef.«
Es war kurz vor zehn. Zorn nippte an seinem zweiten Bier. Er trank langsam, irgendwie hatte er keine Lust auf Alkohol. Im Gegensatz zu Schröder, der bereits das dritte Glas Wein trank. Sein Gesicht hatte merklich Farbe bekommen. »Wir haben jeden befragt, der mit den Fällen in Verbindung stehen könnte. Die Lehrer, die Klassenkameraden, alle, die mit der Gruppe zu tun hatten. Dann sind wir sämtliche Alibis durchgegangen, einige sind natürlich löchrig, aber es gibt keine offensichtlichen Widersprüche in den Aussagen. Keine Zeugen, weder im Wald noch im Nordbad. Auch die Gartensparte haben wir noch mal abgeklappert, ohne Erfolg.«
Ein Kastanienblatt segelte herab und landete zwischen ihnen auf dem Tisch. Zorn nahm es und zerpflückte es langsam zwischen den Fingern.
»Was ist mit den
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