Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
Klicks langsam, aber sicher erhöhte, während seine Laune ebenso stetig sank (mittlerweile hatte sich die Zahl derer, die den Film angesehen hatten, mehr als verdreifacht). Er konnte nicht aufhören, es war wie eine Droge, ein Verkehrsunfall, bei dem man nicht wegsehen kann.
    »Hast du einen Moment, Chef?«
    Schröder kam herein, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Zorn schrak zusammen und klickte das Video weg.
    »Wie spät ist es?«, fragte er und atmete tief durch.
    »Gleich fünf.«
    »Gut. Dann ist Feierabend.«
    »Stimmt. Aber ich bin nicht hergekommen, um dir das zu sagen.«
    »Sondern?«
    »Du solltest dich wieder setzen, Chef.«
    Zorn hatte den Rechner ausgeschaltet und war aufgestanden, bereit, das Büro zu verlassen. Schröder sah ihn ernst an.
    »Martha Haubold ist verschwunden.«
    »Scheiße«, stöhnte Zorn und sank zurück in seinen Sessel.
    »Ihre Mutter sagt, dass sie die letzte Nacht nicht zu Hause in ihrem Bett verbracht hat.«
    Zorn massierte sich die Schläfen und dachte nach. »Gib eine Fahndung raus.«
    »Ist bereits passiert.« Schröder stellte seine Aktentasche ab und setzte sich auf einen der Besucherstühle. »Eric, ihr Bruder ist auch weg.«
    »Wie jetzt?«
    »Laut Aussage der Mutter lag er mittags im Bett. Sie hat ihn geweckt, dann ging sie in Marthas Zimmer. Das Mädchen war nicht da. Als sie Eric zum Essen holen wollte, war er ebenfalls verschwunden.«
    »Das ist gerade mal ein paar Stunden her, Schröder. Sein Verschwinden kann viele Gründe haben.«
    »Stimmt. Es gab Sülzkotelett.«
    »Was?«
    »Sagt jedenfalls die Mutter.«
    »Ich hab keine Ahnung, was du meinst!«
    »Egal, Chef.« Schröder winkte ab. »Du hast natürlich recht, aber da ist noch eine andere Sache.«
    Zorn sah auf die Uhr.
    »Ich hoffe, du wirst es mir bald sagen.«
    »Erinnerst du dich an den Hochsitz in der Nähe der Stelle, an der Björn Grooth getötet wurde?«
    »Ich will jetzt nicht klugscheißen«, erwiderte Zorn gedehnt, »aber wenn ich mich recht entsinne, war ich es, der diesen Hochsitz entdeckt hat.«
    »Wir haben dort einen Kaugummi gefunden.«
    »Du wirst es nicht glauben, aber auch daran erinnere ich mich, Schröder.«
    »Die DNA ist überprüft worden.«
    »Und?«
    »Dieser Kaugummi stammt von Eric Haubold«, sagte Schröder. »Als Björn Grooth in den Draht gefahren ist, saß Eric gemütlich auf dem Hochsitz und hat zugesehen.«

Dreiundzwanzig
    Es wird hell. Im Osten rötet sich der Himmel, in ein paar Minuten wird die Sonne aufgehen. Nach Westen ziehen ein paar Wolken ab, kaum jemand sieht es, die Stadt schläft tief. Die Laternen sind noch an, ihr Licht spiegelt sich im Asphalt der Straßen. Es hat geregnet, nicht viel, in ein paar Stunden wird die Erde genauso ausgedörrt und rissig sein wie in den Wochen zuvor.
    Von den Blättern der großen Kastanie vor dem Polizeipräsidium fallen die letzten, lauwarmen Tropfen in das welke Gras. In der Pförtnerloge sitzt der Wachhabende und gießt sich einen Kaffee ein. Er trinkt, verzieht kurz das Gesicht und wendet sich dann gähnend seinem Kreuzworträtsel zu. Die Nacht war ruhig, es gab nur einen Notruf. Ein betrunkener Fliesenleger hat eine Taxifahrerin mit einer kaputten Bierflasche attackiert.
    Ein paar Straßen weiter liegt Claudius Zorn im Bett und wälzt sich hin und her. Auf dem Boden stehen eine halbe Flasche Rotwein und ein voller Aschenbecher. Zorn träumt, und es scheinen keine guten Träume zu sein. Man erkennt es am Zucken seiner Muskeln, die Augen bewegen sich unruhig hinter den geschlossenen Lidern, das Laken ist nassgeschwitzt. Vielleicht sieht er das Youtube-Video, vielleicht träumt er von der verschwundenen Martha Haubold, oder sieht er die Augen des missbrauchten Kindes, wer weiß? Dann murmelt er im Schlaf einen Namen: Malina.
    Es klingt nicht sehr glücklich.
    Am anderen Ende der Stadt steht Hauptkommissar Schröder am Fenster. Sein Gesicht ist grau, fast wächsern, rötliche Bartstoppeln sprießen auf seinen Wangen. Er trägt einen gestreiften Pyjama, das Oberteil ist aufgeknöpft. Man sieht die Narbe, einen tiefroten, gezackten Strich, der quer über seinen Bauch verläuft. Den Verband um die linke Hand hat er entfernt, die Brandblasen heilen langsam ab. Seit gestern Abend wartet er auf den Schlaf, er weiß, dass er nicht mehr kommen wird. Die nächsten vier Stunden wird er hier verbringen, reglos, dann wird er seine Aktentasche nehmen und ins Präsidium fahren.
    Kriminalhauptkommissar Jan Czernyk, der deutsche Vietnamese mit dem

Weitere Kostenlose Bücher