zorneskalt: Thriller (German Edition)
du mir all eure Neuigkeiten erzählst.«
Noch an der Bar ist dein Lachen zu hören. Es klingt perlend und berauschend. Ich bin nicht in der Stimmung für Cocktails, ich brauche etwas Schwereres mit mehr Alkohol, also nehme ich eine Flasche Rotwein. Einige von Jonnys Freunden treffen ein, und ich begrüße sie. Als ich in unseren abgetrennten kleinen Bereich zurückkomme, füllt er sich allmählich mit Jonnys Kollegen, seiner Gang, alten Freunden. Alles Leute, die nun auch zu meinem Freundeskreis gehören.
Ich sehe zu eurem Sofa hinüber, und Jonny lächelt, lacht mit dir. Er sieht sich nicht nach mir um, nicht mal nach seinem Drink. Er steht in deinem Bann. Ich begrüße noch ein paar Leute und arbeite mich zu euch vor, aber das ist etwas misslich, weil das Sofa nur zweisitzig ist, was bedeutet, dass ich überzählig bin. Als Jonny mich sieht, steht er auf. » Komm, setz dich, Rachel, ihr brennt sicher darauf, miteinander zu schwatzen.«
» Mach dir unseretwegen keine Sorgen«, sagst du zu Jonny, » wir kennen uns schon so lange, dass wir uns nichts mehr zu erzählen haben. Wir wissen alles übereinander.« Endlich wendest du dich mir zu, bedenkst mich mit einem Lächeln.
Eine seltsame Äußerung, Clara. Du warst so lange fort, dass es viel gibt, was du nicht über mich weißt. Aber ich spüre sie, die Elektrizität, die zwischen uns Funken überspringen lässt.
» Ich kann dich noch immer überraschen, Clara«, sage ich und stoße mit dir an, während Jonny mir Platz macht. Wir beobachten, wie er sich unter seine Freunde mischt und einige kräftig umarmt, wie Männer es tun.
» Ich habe mich gefragt, ob du kommen würdest. Ich habe die ganze Woche versucht, dich ans Telefon zu kriegen«, sage ich und stoße dich leicht mit dem Ellbogen an. » Ab und zu ein Anruf oder eine SMS wäre nicht schlecht.«
Seit deiner Rückkehr sind erst wenige Monate vergangen, seit dem Tod deines Dads noch weniger. Ich mache mir Sorgen, wie du in Brighton ganz allein zurechtkommst. Ich will mich vergewissern, dass alles okay ist.
» Ich verstehe, warum du verknallt bist«, sagst du mit einem Blick zu ihm hinüber.
» Trotzdem bin ich froh, dass du gekommen bist.« Ich lege dir kurz eine Hand aufs Knie. » Mir ist’s allmählich verrückt vorgekommen, dass ihr euch nicht kennt. Ich habe ihm alles über dich erzählt.«
» Alles«, wiederholst du. Deine Stimme ist ausdruckslos, distanziert. Ich weiß nicht, ob das eine Feststellung oder eine Frage ist. Und dann fügst du hinzu: » Nicht alles, möchte ich wetten.«
Ich lache, aber ich höre darin Nervosität knistern.
Deine Hände ergreifen meine, umfassen sie, und du siehst mir so tief in die Augen, wie du’s früher getan hast, als wir alles voneinander wussten, als wir füreinander denken konnten, und ich frage mich, ob ich mich vielleicht irre. Vielleicht freust du dich für mich. Du bist heutzutage nur so schwer zu deuten.
» Wie rührend«, sagst du, und deine Augen blitzen, funkeln im Licht.
» Ich denke, du verstehst, warum ich ihn liebe.«
Ich spüre, wie der Druck deiner Hände nachlässt. Dann hebst du eine Hand und streichst mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
» Er liebt mich auch«, erkläre ich dir, und du streckst die Arme aus und drückst mich eng an dich. Eine Glückswoge überrollt mich, und dann spüre ich deinen Atem in meinem Ohr und höre deine Worte.
» Er kennt dich nicht, Rachel«, flüsterst du, » er weiß nicht, wer du bist.«
Es ist halb eins, und wir sind draußen auf der Straße. Nach der Wärme in der Bar wirkt die Nachtluft ernüchternd auf mich. Jonnys Freund Dylan hat dir einen Arm um die Schultern gelegt. Ich möchte nach Hause, aber du rufst: » Mein Gott, Rachel, du bist Mitte zwanzig, nicht Mitte vierzig. Komm mit!« Ein Taxi mit orangeroter Dachleuchte nähert sich, und du hältst es an.
Ich weiß bestimmt, dass Jonny lieber nach Hause möchte, aber Dylan besteht darauf, noch irgendwo anders hinzugehen. Du scheinst heute Abend deine alte Magie wiedergefunden zu haben und bezirzt ihn damit. In seinem Blick brennt das Feuer vager Hoffnungen, und er wird nicht lockerlassen. Wir gehen in einen namenlosen Club in Soho – von der Art, die man am folgenden Morgen besser schnell vergisst. Wir zahlen zu viel, um reinzukommen, und als wir durch die schweren Vorhänge am Eingang schlüpfen, wummert die Musik erschreckend laut. Ich sehe mich nach Jonny um und weiß, dass er sie ähnlich empfindet. Du scheinst etwas gemerkt zu haben,
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