Zu einem Mord gehoeren zwei
der Held des Tages, die Boulevardblätter walzten seine Story gehörig aus. Ein Schürzenjäger, ein Frauenheld, ein Mitgiftjäger auf der einen und eine einsame, sinnliche Frau auf der anderen Seite – da brauchte man nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was dabei herauskam… Scheiße! Wenn es eine Möglichkeit gäbe, diesem Feuerhahn das Konzept zu verderben… Aber die gab es wohl nicht. Zähneknirschend mußte er erkennen, daß seine Rache wohl platonisch bleiben würde. Das Leben war wirklich beschissen, wenn man ein kleiner Wurm war wie er. Sie sollten bloß bald die Welt in die Luft sprengen!
Von draußen her drang Feuerhahns Lachen in die Diele; Stimmen wurden laut. Offenbar hatten einige der Nachbarn mitbekommen, was hier vorgegangen war. Es konnte nur noch Minuten dauern, bis die ersten Reporter auftauchten und der Trubel erst so richtig begann. Koch war ein Idiot, daß er Feuerhahn so auf die Pauke hauen ließ – wenn Tomaschewski den Rummel hier bemerkte, wußte er doch sofort, was los war.
Mannhardt fluchte und wählte die Dienstnummer von Dr. Weber. Sicherlich saß der Ober noch im Büro und arbeitete Akten auf. Er bekam ihn auch tatsächlich an die Strippe.
«Guten Abend, Herr Doktor, hier ist Mannhardt. Ich wollte Ihnen nur schnell sagen: Wir haben Feuerhahn gefunden. Lebendig.»
«Mensch, Mannhardt, Sie sind ein Genie! Die Raupe schon, die Chrysalide, deutet den künftigen bunten Schmetterling… Wo haben Sie ihn denn aufgespürt?»
«In Frohnau, in einer Villa. Im Keller. Der Besitzer hat sich noch nicht blicken lassen – na, vielleicht kommt er noch. Ohne Zweifel der Mann, den wir suchen. Ein gewisser Tomaschewski. Sie blasen doch zur Fahndung, ja?»
«Wie, sagten Sie, heißt der Knabe?»
«Hans-Joachim Tomaschewski.»
«Der Möbelhändler?»
«Soweit ich weiß, ja…» Mannhardt hörte, wie Dr. Weber auflachte. «Was ist denn?»
«Nach dem brauchen wir nicht lange zu fahnden…»
«Wieso?»
«Der wurde vor anderthalb Stunden in der Friedrichstraße gefunden, am Fuße seines Neubaus. Tot, zerschmettert. Offenbar hat er sich vom Gerüst gestürzt. Klarer Fall von Selbstmord. Wie sagt man doch so schön: Er hat sich selber gerichtet…»
13
SUSANNE TOMASCHEWSKI
Die Urne mit Tomaschewskis Asche war am gestrigen Nachmittag auf dem Neuen Friedhof in Frohnau beigesetzt worden; man hatte sie keine dreißig Zentimeter von der seines Sohnes entfernt in den lehmigen Boden gesenkt. Susanne war als einzige dem vierschrötigen Beamten gefolgt und hatte mit unbewegtem Gesicht die eingravierten Daten auf der Oberseite des Gefäßes geprüft. Sie hatte die Prozedur ebenso unbeteiligt über sich ergehen lassen wie in all den Jahren Tomaschewskis Bemühungen auf sexuellem Gebiet. Zwar war sie tief befriedigt über seinen Tod, aber in diesem Augenblick sah sie überhaupt keinen Zusammenhang zwischen diesem Faktum und ihrer Mitwirkung. Für sie war Feuerhahn der Schuldige, der Mörder, und die Tatsache, daß sie ihn zu diesem Mord bewegt, ja gezwungen hatte, vermochte sie weithin zu verdrängen. Bei ihrer Intelligenz war sie durchaus in der Lage, diesen Entlastungsmechanismus voll und ganz zu durchschauen, wenigstens dann, wenn sie etwas getrunken hatte, aber auch in solchen Augenblicken fühlte sie niemals das, was man landläufig Schuld und Reue nennt. Was geschehen war, war mehr oder minder die Folge eines mißglückten Versuchs ihrer Eltern, sie tief religiös zu erziehen. Mit den täglichen Gebeten, den Predigten am Sonntag und den allabendlich vorgelesenen Geschichten aus der Bibel hatte man sie nicht so zu formen vermocht, daß sie nach christlichen Normen ein guter und gläubiger Mensch geworden wäre; im Gegenteil: man hatte sie dazu gebracht, sich als willenloses Geschöpf eines allmächtigen Gottes zu verstehen. Was auch immer sie dachte und tat, war sein Wille. Sie wehrte sich nicht gegen eine Tat, die gemeinhin als böse oder abscheulich galt, sondern sie führte sie – sofern ihr Entdeckung und Bestrafung nicht allzu sicher waren – ohne langes Zögern aus und dachte dabei: Wenn es sein Wille ist – na bitte! So verhielt sie sich sowohl den äußeren Ereignissen gegenüber fatalistisch als auch den Impulsen ihres eigenen Ichs. Verantwortlich für ihre Tat war in der Hauptsache Gott, an dessen Existenz sie niemals gezweifelt hatte; ein wenig ging aber auch auf das Konto der Gesellschaft, in der sie lebte. Ihre Eltern und Erzieher und die Institutionen
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