Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo
Generäle, Künstler. An manchen Tagen waren auch die beiden Kischs dabei, die weiterhin in Versailles wohnten, jedoch einen Umzug zu uns erwogen, ebenso wie etwa der Maler Alén Diviš, dem Hoffmeister erklärte, wir würden ihn völlig gratis und umsonst bei uns unterbringen. Manche dieser Persönlichkeiten wurden nach dem Krieg berühmt, andere haben ihn nicht überlebt, und die das fertigbrachten, mußten dann oft noch unerwartet weitere schwere Zeiten überstehen.
Wegen meiner Jugend und Unerfahrenheit war ich natürlich nicht imstande, in dieser ungewöhnlichen Gesellschaft einstiger und künftiger Politiker und Diplomaten die Rolle der Hausfrau zu spielen, und überließ diese Aufgabe mit großer Erleichterung dem quirligen Hoffmeister. Wenn mir aber einer unserer hochgestellten Gäste beim Abschied zu später Stunde mit einer Verbeugung galant die Hand küßte und an die Adresse der Dame des Hauses ein paarDankesworte murmelte, schenkte ich ihm gleichsam selbstverständlich ein elegantes Lächeln und imponierte mir selbst in dieser unvorhergesehenen Stellung. Kurz, ich war gut untergebracht und gestattete mir zum erstenmal ein gewisses Gefühl von Sicherheit im Exil.
In Prag hatte ich soliden Boden unter den Füßen, in Paris bot mir weder das Mäusezimmer, noch später in Versailles meine Mansarde, trotz der unmittelbaren Nachbarschaft zu den Kischs, einen festen Halt. Ständig fühlte ich mich umschwirrt von bekannten Namen, kannte mich in den politisch gefärbten Andeutungen ihrer Träger, Freunde oder Gegner, nicht aus, hatte für sie auch kein besonderes Interesse. Die Emigration aus der Tschechoslowakei begann in Frankreich erst Fuß zu fassen, vorerst überwogen in unseren Reihen Existenzprobleme.
»Von wem bekommst du eigentlich deine Unterstützung?« fragte mich mein einstiger Chefredakteur ungefähr eine Woche nach meiner Ankunft.
»Unterstützung?« wunderte ich mich. »Wieso?«
Nun wunderte er sich. »Ja, wovon lebst du hier eigentlich?«
»In meinen letzten Monaten in Prag wurden dank deiner Fürsprache ein paar Beiträge von mir in französischen Zeitschriften veröffentlicht. Die Honorare habe ich hier stehengelassen, und das kommt mir jetzt zugute.«
Weiskopf schüttelte den Kopf. »Du wurdest so blendend bezahlt, daß du davon leben kannst?«
»Vielleicht noch vierzehn Tage«, gestand ich kleinlaut.
Und so wurde mir empfohlen, und zwar nicht nur von ihm, bei einem jüdischen Hilfskomitee vorstellig zu werden. Die würden einem jungen Mädchen aus Prag bestimmt helfen. Obwohl ungern, weil mir die ganze Bittstellerei zuwider war, ging ich dennoch hin.
In einem kleinen Büro saßen zwei ältere Damen, schrillte beständig das Telefon, steckte dauernd jemand den Kopf aus der Tür zum Nebenzimmer, lagen auf den Schreibtischen und unter ihnen Stapel verschiedener Schriftstücke, auseinem Schrank, den man offenbar nicht schließen konnte, quollen Kleidungsstücke hervor, in einer Ecke häuften sich Schuhe.
Ich wurde freundlich empfangen, die Damen seufzten verständnisvoll bei der Erwähnung des besetzten Prag, schüttelten bedauernd den Kopf, als ich ihnen auf ihre Frage mitteilte, in Paris allein zu sein, und erkundigten sich dann wirklich interessiert, was ich am dringendsten benötige.
»Könnten Sie mir vielleicht eine Schreibmaschine leihen?« fragte ich und bekam dabei Herzklopfen.
»Eine Schreibmaschine leihen?«
»Ja, wenn es Ihnen nicht zuviel Mühe macht. Mit der könnte ich dann wahrscheinlich eine Arbeit bekommen.«
»Sonst nichts?« Die eine blickte mich an, als höre sie nicht richtig, die andere bemerkte in beinahe mütterlichem Ton: »Wir können Ihnen eine kleine finanzielle Unterstützung gewähren, Mademoiselle. Sie müssen doch auch essen, wohnen und so.«
»Nein, danke.« Ich schüttelte den Kopf. »Eine Schreibmaschine wäre mir lieber.«
»Bien«, sagten die beiden fast einstimmig, mußten darüber lachen, und das war ein Einbruch in die etwas gedrückte Stimmung. Eine von ihnen erhob sich und holte aus der unergründlichen Tiefe des unverschließbaren Kleiderschrankes eine gebrauchte, aber noch ganz ordentlich aussehende ältere Schreibmaschine hervor.
»Wenn Sie uns ein Leihabkommen unterschreiben, können Sie das Stück gleich mitnehmen. Sollten Sie jedoch Frankreich verlassen, müssen Sie uns die Maschine zurückbringen.«
»Ich bleibe jetzt hier«, warf ich schnell ein.
»Na ja«, die beiden blickten einander vielsagend an, sie wußten besser als
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