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Zu keinem ein Wort

Titel: Zu keinem ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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Lambertha Kroon, geboren 1926 in Utrecht. Ich war also ein Jahr jünger geworden - und Jakov ein Jahr älter. Er grinste.
    Â»Hast du das extra so gemacht, Jakov?« Wir mussten beide lachen.
    Â»Die richtige Lambertha ist vor ein paar Monaten gestorben. Darum war das Ganze etwas billiger, nur 200 Gulden«, erklärte er mir stolz. »Es hat nur länger gedauert. Tut mir Leid, dass ich dich zwischendurch nicht erreichen konnte.«
    Â»Aber Jakov, woher hast du so viel Geld?«
    Â»Onkel Pollak hat’s mir gegeben. Ich habe ihm erzählt, dass es für dich ist.«
    Ich war nicht sicher, ob das die volle Wahrheit war, aber ich freute mich trotzdem, dass er das alles so erfolgreich für mich geregelt hatte. »Danke, Jakov, das werde ich dir nie vergessen«, flüsterte ich ihm ins Ohr.
Danach küssten wir uns und hielten einander fest, als ahnten wir, dass wir nicht mehr viel Zeit haben würden, um ungestört zusammen zu sein...

    Cillys Passfoto als ›Lambertha Kroon‹ und Jakovs Foto als ›Jan Gerrit Overbeek‹, Sommer 1943. Cilly war 17, Jakov 16 Jahre alt.
    Später redeten wir darüber, wie es nun weitergehen sollte. Von dem Moment an, in dem ich mich von Cilly in Lambertha verwandelte, würde ich nicht mehr in der Crèche bleiben können. Also brauchte ich ein neues Quartier.
    Â»Aber vorher brauchst du eine neue Arbeit. Dann wirst du auch etwas verdienen und kannst dir davon irgendwo ein kleines Zimmer mieten«, meinte Jakov. Ich bewunderte seine Kreativität. Mir wurde plötzlich
bewusst, dass ich zusammen mit Jutta seit Ende 1938 zwar ohne unsere Mutter gewesen war, aber doch immer in irgendwelchen Einrichtungen, wo man auf unterschiedliche Art und Weise für uns gesorgt hatte. Jetzt sollte ich plötzlich ein selbstbewusstes niederländisches und irgendwie christliches Mädchen sein. Wie sollte das gehen?
    Â»Und woran denkst du für dich selbst?«, fragte ich, um von meiner eigenen Unsicherheit abzulenken.
    Â»Ich werde Amsterdam verlassen. Die Gefahr ist zu groß, dass ich hier zufällig jemanden treffe, der mich noch von früher kennt. Ich will versuchen, irgendwo auf dem Land eine Arbeit zu finden... und dann sehen wir weiter.«
    Keiner von uns beiden wagte die Frage auszusprechen, wie wir unter solchen Bedingungen noch Kontakt halten könnten.
    Â»Der Krieg kann nicht mehr ewig dauern, Cilly«, meinte Jakov, aber es klang nicht tröstlich, denn gegenwärtig barg jeder Tag, den er andauerte, für uns unendlich viele Risiken. Bevor wir uns an diesem Abend trennten, schenkte mir Jakov noch eines der Passbilder, die er für seine gefälschte Kennkarte hatte machen lassen. »Man weiß nie«, sagte er ernst.
    Â 
    Auch mit Suzy und Rosa besprach ich die weiteren Pläne. Suzy war inzwischen auch bereit unterzutauchen, hatte aber bisher noch nicht an gefälschte Papiere kommen können. »Ich werde mit Jakov darüber reden«, versprach ich. »Und mit Tante Cok und Tante Mies. Ich lasse dich auf keinen Fall im Stich.« Suzy drückte mir
dankbar die Hand. Am gleichen Abend half sie mir beim Packen.
    Rosa verließ sich dagegen immer noch auf den Schutz, den wir durch die Arbeit im Kindergarten genossen: »Solange die Schouwburg arbeitet, brauchen die uns doch für die Kinder.« Außerdem hoffte sie darauf, noch etwas für ihren bereits deportierten Vater und ihren Bruder tun zu können, solange sie nicht illegal war. Das war leider ein Irrtum und wenige Wochen später hätte sie beinah mit ihrem Leben dafür bezahlt.
    Ohne mein Wissen hatte Jakov auch Tante Mies von meinen Plänen berichtet. Sie sagte zu ihm: »Lass Cilly, sobald es geht, hierher zu uns kommen. Es gehen Gerüchte um, dass die Deutschen die Deportation aller Juden aus Holland noch diesen Sommer abschließen wollen. Wir rechnen in Amsterdam jeden Tag mit neuen großen Razzien. Cilly muss raus aus Amsterdam. Vielleicht können wir ihr dabei helfen.«
    Ich wusste, dass dies eine vielleicht einmalige Chance war. Am nächsten Morgen trennte ich den gelben Stern von meinem Mantel ab, verabschiedete mich nur von Suzy und Rosa und verließ die Crèche und alle Kinder und die von mir so verehrte Directrice ohne ein weiteres Wort. Sie würde mich verstehen, das wusste ich. Was niemand zu dem Zeitpunkt wissen konnte, war, dass die Crèche nur wenige Wochen später, am 23. Juli 1943,

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