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Zu keinem ein Wort

Titel: Zu keinem ein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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Geschrei und den Lärm der Polizeiwagen. Bis zum Abend durften die Kinder nicht aus dem Versteck, obwohl es ein heißer Tag war und sich unter der Dachschräge tropische Temperaturen entwickelten. Aber was war ein bisschen Schwitzen schon gegen den Abtransport in die Hölle?
    Vor dem Schlafengehen informierte mich Tante Cok, dass sie vorhatte, gleich am nächsten Morgen mit mir und dem kleinen Abba, dessen Deckname ab nun Frits war, mit der Bahn nach Nord-Brabant zu reisen. Dort kannte sie Leute, die sich bereit erklärt hatten, ein junges Mädchen und woanders noch einen kleinen Jungen aufzunehmen. Mir wurde ein einfaches Lager in der Küche
zurechtgemacht. Obwohl mir neue Ungewissheiten bevorstanden, schlief ich doch tief und fest die ganze Nacht durch. Ich fühlte mich bei Tante Mies und Tante Cok beschützt wie lange nicht mehr. Und ich war glücklich, nach so langer Zeit wieder mit Jutta unter einem Dach schlafen zu können.
    Â 
    Als Tante Mies mich am nächsten Morgen früh weckte und rief: »Berthy, aufstehen!«, wusste ich erst überhaupt nicht, wen sie meinte. Während sie den Wasserkessel aufsetzte, lachte sie mich an und meinte: »Fräulein Kroon, der Morgen scheint wohl nicht Ihre starke Zeit zu sein, was?«
    Ich rieb mir die Augen und gab dann aber immerhin noch schlagfertig zur Antwort: »Bei uns in Utrecht konnten wir immer länger schlafen!«
    Â»Gut so!«, lobte mich Tante Mies.
    Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich von Jutta. Auch sie sollte bei nächster Gelegenheit aufs Land kommen. Wann und wohin, stand noch nicht fest. Als die Tanten sahen, wie schwer uns die erneute Trennung fiel, schlug Tante Cok tröstend vor: »Wir können versuchen, Briefe zwischen euch zu befördern, denn wir besuchen doch in regelmäßigen Abständen alle unsere Kinder.« Und Tante Mies fügte mahnend hinzu: »Aber nur, wenn ihr an die richtigen Namen denkt! Kapiert, Berthy und Marijke?«
    Wir nickten artig und ich gab auch allen anderen die Hand zum Abschied. Immer wieder Abschied und Trennungen. Ob man davon nicht irgendwann krank wurde?

    Auf dem Weg zum Bahnhof wurde mir klar, dass ich mich nun nicht mal mehr von Jakov verabschieden konnte. Nur sein kleines Foto trug ich bei mir. Noch bevor wir in den Zug stiegen, bat ich Tante Cok: »Kannst du bitte Jakov sagen, dass ich nun schon in Sicherheit außerhalb Amsterdams bin... und dass ich ihn sehr lieb habe?«
    Tante Cok sah mich streng an: »Berthy, von wem sprichst du? Meinst du etwa Jan, den blonden Jan Overbeek?«
    Ich nickte und wiederholte trotzdem noch mal: »Bitte, Tante Cok.«
    Tante Cok konnte ihre Gefühle zwar besser zeigen als Tante Mies, trotzdem antwortete sie jetzt nur kurz und sachlich: »Versprochen.« Aber ich wusste, dass ich mich ganz und gar auf sie verlassen konnte.
    Im Zug hatten wir zunächst ein Abteil nur für uns. Noch einmal schärfte Tante Cok mir und dem kleinen Abba, der nun Frits sein sollte, ein: »Zu keinem ein Wort, wer ihr wirklich seid! Wenn ihr einmal keine Antwort wisst, dann stellt euch dumm und sagt lieber nichts, als dass ihr euch verplappert. Ein einziges falsches Wort kann für uns alle gefährlich werden!« Abba nickte eifrig. Aber ich war nicht sicher, wie lange so ein kleiner Junge wirklich dichthalten könnte. »Zu keinem ein Wort!«, wiederholte Tante Cok ernst.
    Beim nächsten Halt stieg ein älteres Ehepaar ein und von nun an sprachen wir bis zu unserem Ziel kaum noch miteinander. Am Bahnhof von O. stiegen wir aus. Zwei Männer, die beide die einfache Kleidung von Landarbeitern trugen, erwarteten uns auf dem Vorplatz.
Ein Mann - er stellte sich als Frans vor - sollte Tante Cok und den Kleinen mitnehmen. Mich begrüßte ein kräftiger, großer Mann, der sich als Onkel Wim vorstellte und auf einen Pferdewagen wies, mit dem er mich zu sich nach Hause fahren würde.
    Â»Du bist Lambertha?«, fragte er freundlich. Und zum ersten Mal bestand ich meinen Test als Mädchen aus Utrecht und antwortete, ohne zu stottern: »Ja, Onkel Wim, aber die meisten nennen mich Berthy.«
    Ich hatte kaum Zeit, Tante Cok und dem kleinen Abba zuzuwinken, da schnalzte er auch schon mit der Zunge und das stämmige Pferd setzte sich in Bewegung. Die ersten Minuten überwältigte mich ein unglaubliches Gefühl von Freiheit und Ruhe, das von der wunderschönen Natur ausging, durch die wir

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