Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
wird. Denn fortgenommen werden muss er und zu Lehrern gebracht, die ihn zähmen, den kleinen Bergwolf. Aber du, Mutter, bist ja nicht loszulösen von deiner Kette, und wenn ich dir zum Trost Merwe mit Amir hinunterschicke, so verdirbst du meinen Amir, wie du deinen Mondhir verdorben hast. Eine Tochter müsste Merwe haben, ein Mädchen, vor dem man die Türen und die Welt verschließt!
Nein, Merwe, ich kann dich nicht verschenken und nicht verkaufen, ja nicht einmal verstoßen. Aber du wirst einsehen, dass meine Mutter einen Trost braucht. Lass das Kind, das du erwartest, ein Mädchen werden, dann bringe ich dich zu ihr. Bei ihr kannst du dein Glück rein erhalten. Du musst nicht zusehen, wie du mir gleichgültig wirst, weil auch deine Reize allmählich verblassen, Merwe, und weil mich Spiele locken, bei denen Einsatz und Gewinn höher sind.
Warum starrst du mich so an, Welid? Glaubst du, ich sei außer mir, deine Wahrheit habe mir die Sprache verschlagen? Oh, alles lässt sich ordnen, was man innen bewältigt, kommt auch außen zurecht!
Laut aber sagte Abu Amir: »Ich kann im Augenblick Cordoba nicht verlassen, Welid, denn ich habe heute meinen Dienstherrn gewechselt. Kein Geringerer als der Kalif selber (Allah schenke ihm Gnade im Diesseits und Jenseits!) hat mich zum Vermögensverwalter seines ältesten Sohnes gemacht.
Du aber geh zu Abulmahasin, der bei der ersten Mühle hinter der großen Brücke wohnt, und frage ihn, ob er nicht bei Achmed ben Sukkarah dein Nachfolger werden will. Ich lernte ihn neulich bei einer Gerichtsverhandlung kennen, wo er als Zeuge auftrat. Selbst die Gegenzeugen mussten zugeben, dass er ein tüchtiger Lautenspieler sei. Er scheint in dürftigen Verhältnissen zu leben. Er wird dich als deinen Wohltäter umarmen. Vergiss nicht, zu erwähnen, dass ich dich zu ihm geschickt habe.
In vierzehn Tagen kannst du alles regeln. Ihn einführen, ihn deine Lieder lehren, sofern er sie nicht schon kennt. Achmed ben Sukkarah wird gerührt sein, dass du ihm die Suche nach einem geeigneten Mann ersparst, und du wirst scheiden mit dem Segen beider: deines Herrn wie auch seines neuen Musiklehrers.
Unterdessen wird mir der Kalif eine neue Wohnung zugewiesen haben, in der für dich und die Deinen Platz sein wird. Wie, du hast immer noch keine Frau? Nun, dann ist es höchste Zeit, dass ich dir eine besorge!
Merwe kam mit einer Tochter nieder. Als sie sich so weit gekräftigt hatte, dass sie reisefähig war, wurde ein Kamel gemietet und die Mutter mit dem Kind in einen Tragstuhl gesetzt. Welid begleitete sie zu Pferde, der Kameltreiber ging nebenher zu Fuß. Wenn die Kleine gestillt werden musste, wurde Rast gemacht. Sie ritten nebeneinander her ohne viele Worte. Merwe fragte nicht nach Welids Leben und er nicht nach dem ihren. Nur einmal, als das Kind gesättigt in ihren Armen eingeschlafen war, hob sie es über den Rand des Tragstuhles zu ihm hin und sagte: »Siehst du, wie es ihm ähnlich ist?«
Er konnte nichts davon erkennen, für ihn war es ein Würmchen mit einem Puppengesicht, aber um sie nicht zu kränken, nickte er zustimmend und fragte: »Wie soll es heißen?«
»Sein Vater hat ihm den Namen Zoraida gegeben, ich aber nenne es Bint Muhammad«, entgegnete sie, und als er schwieg, setzte sie leise hinzu: »Wir sind ihm ja verfallen, du so gut wie ich.«
Welid widersprach nicht.
Boreiha weinte, als man ihr das Enkelkind in den Arm legte. »Muhammad hat mich nicht vergessen? Er schickt mir seine Tochter? Wie lange dürft ihr bleiben?«
Der jungen Frau wurde die Antwort schwer. Abu Amir hatte ihr gesagt: »Du bleibst bei meiner Mutter, bis sie stirbt.« Aber so konnte sie das doch nicht weitergeben. Deshalb sagte sie: »So lange du uns behalten willst, Herrin.«
»Willst? Willst? Aber ich kann ihn doch nicht trennen von seiner Frau und seinem Kind.«
»Er hat noch andere Kinder. Und ich bin nicht seine Frau. Nur eine Umm Weled aus seinem Harem.«
»Dann bist du meine Tochter. Und sagst Mutter zu mir und nicht Herrin. Und bleibst bei mir, so lange du willst.«
Als Welid die Hütte des Fischers Pedro betrat, verschlug es ihm fast den Atem. Ein Gestank von faulenden Fischen drang ihm entgegen, der unerträglich war. Er ließ die Türe weit offen stehn, tat ein paar Schritte in den Raum hinein und erschrak fast zu Tode. Nicht vor der Unordnung, die in dem früher so peinlich sauberen Haus herrschte und die ärger war, als er sich das jemals hätte vorstellen können. Stroh und
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