Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Edwards
Vom Netzwerk:
und suchte in Daniels Gesicht nach Anerkennung. Er mag ja von der Cumbria Culture Company aufgrund seiner literarischen Fachkompetenz benannt worden sein, dachte Daniel, aber ein gehöriger Schuss Selbstdarstellung ist bei ihm durchaus dabei.
    »Wenn man erst einmal diesen Weg betreten hat«, fuhr Arlo fort, »so weiß man bald nicht mehr, wo man einzuhalten hat. Viele Männer können ihren Ruin auf den einen oder anderen kleinen Mord zurückverfolgen, den sie zu gegebener Zeit nicht für wichtig hielten.«
    Daniel applaudierte. »Wortgenau!«
    Arlo streckte die Beine aus und griff nach dem Kaffeebecher, der auf einem niedrigen Tisch neben seinem Sessel stand. Sein weißes T-Shirt gab den Blick auf lange, knochige Arme frei. Er war einer der dünnsten Männer, die Daniel je gesehen hatte; sein fast magersüchtig wirkender Körper war möglicherweise ein Überbleibsel des überstandenen Krebses. Seine dunklen, lang bewimperten Augen standen keine Sekunde still und schienen die Umgebung akribisch zu registrieren. Daniel hatte den Kamin angeheizt; die glühenden Scheite verströmten erstickende Wärme. Der Himmel draußen zeigte sich unfreundlich. Regenschauer peitschten das schräge Heck des neben Daniels Auto geparkten Micra.
    »Mein Lieblingszitat von de Quincey. Natürlich hat er ungeheuer viel Bewundernswertes geschrieben. Erinnern Sie sich zum Beispiel an die Passage, in der er sich darüber beschwert, dass die Leute partout nicht bereit sind, sich die Kehle still duldend durchschneiden zu lassen, sondern weglaufen und um sich beißen und treten? Porträtisten beklagen sich häufig über die allzu große Starre ihrer Modelle; ein Künstler in unserer Sichtweise wird jedoch häufig durch zu viel Bewegung in Verlegenheit gebracht. Das ist meisterhaft! Wird irgendein anderer genialer Autor so geradezu kriminell unterschätzt?«
    »Außer hier im Lake District?«
    »Gerade hier im Lake District. Wir werden mit William Wordsworth geradezu überschüttet, dicht gefolgt von Coleridge. Sogar Sothey kennt hier jedes Kind, nicht zu vergessen den guten alten John Ruskin. Aber wer liest schon de Quincey? Ich hoffe, unser Festival gibt da den Anstoß zu einer Veränderung. Ich fände es toll, wenn dem Publikum endlich klar würde, dass de Quincey mehr getan hat, als sich mit Opium zu berauschen und im Dove Cottage zu wohnen. Wer weiß? Vielleicht wird aus dem Festival ja der Startschuss zu etwas ganz Großem. Wie wäre es zum Beispiel mit einem De-Quincey-Wanderweg durch das ganze Land? Aus diesem Mann könnte die nächste Beatrix Potter des Lake District werden.« Er klimperte konspirativ mit seinen langen Wimpern und forderte Daniel heraus, auf den Scherz einzugehen. »Aber zunächst kann ich es kaum erwarten, Ihre Rede zu lesen.«
    »Ich wäre froh, wenn ich den Entwurf erst einmal fertig hätte.«
    Arlo gluckste. »Es tut gut zu erfahren, dass selbst ein Daniel Kind manchmal Schwierigkeiten hat, ein paar Zeilen zu Papier zu bringen. Als Student wollte ich unbedingt einen Roman schreiben, kam aber über die ersten fünftausend Worte nie hinaus. Inzwischen konzentriere ich meine kreative Energie lieber darauf, Pressemitteilungen über Literaturfestivals zu verfassen. Natürlich ist es nicht ganz das Gleiche.«
    »Macht Ihnen der neue Job Spaß?«
    »Die Gelegenheit, in den Lake District zurückzukehren, hat einen Traum wahr werden lassen. Und ich habe es weiß Gott nicht des Geldes wegen getan. Aber die Leute hier sind einfach fantastisch ... die meisten wenigstens.«
    Er legte eine Pause ein - ein geborenes Klatschmaul, das hoffte, Neugier herauszufordern.
    »Meine Schwester erzählte mir, dass sie Sie auf Stuart Waggs Party kennengelernt hat.«
    »Louise, richtig. Eine wirklich nette Lady. Sicher wird sie Ihnen auch von dem kleinen ... Zwischenfall erzählt haben?«
    »Von der Frau, die Wein über Sie geschüttet hat? Ja, sie hat so etwas erwähnt.«
    »Das dachte ich mir.« Arlo seufzte theatralisch, doch Daniel vermutete, dass er die Viertelstunde Ruhm ausgiebig genossen hatte. »Da bin ich kaum fünf Minuten zurück im Lake District, und schon stifte ich Unruhe. So war es nicht geplant, das kann ich Ihnen versichern.«
    Die Jahre, in denen Daniel sich durch das Minenfeld der Hochschulpolitik Oxfords manövrieren musste, hatten ihn den Wert von Diskretion gelehrt. Er setzte einen mitleidigen Gesichtsausdruck auf, sagte jedoch nichts. Ob Arlo über den Zwischenfall mit Wanda Saffell plaudern wollte, blieb ihm

Weitere Kostenlose Bücher