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Zu viele Morde

Zu viele Morde

Titel: Zu viele Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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einlegte, zeigte sie ihren Uni-Freunden Dias, wobei einer bemängelte, dass die Landschaft zauberhaft sei, aber wo seien eigentlich die Menschen?
    »Ich habe genug Anstand und Gefühl, nicht die Leute zu fotografieren, als wären sie Sonderlinge«, hatte Erica verärgert erklärt. »Auf uns wirkt ihre Kleidung fremd, aber für sie ist es normal, weil jeder so rumläuft.«
    »Dann bezahl sie doch, damit du sie fotografieren kannst«, schlug einer vor. »Du bist eine reiche Amerikanerin und kannst dir die paar Dollars leisten.«
    »Was, und sie dann auf unser Niveau runterziehen? Das ist widerwärtig.«
    Schau, schau, dachte Carmine und hielt das Dokument, alshätte es einen Überzug aus Gold. Irgendwann mal hast du Leidenschaft besessen, Erica! Starke, tief sitzende Leidenschaft. Und Ideale.
    Das Examen in Rechtswissenschaften und die Promotion an der Chubb förderten nichts Neues zutage. Nachdem sie drei Monate durch Europa getourt war, reiste Erica nie wieder dorthin zurück, und das war seltsam. Seiner Erfahrung nach versuchten die Menschen immer, die Freuden und Abenteuer der Jugend wieder zurückzuholen. Sie war auch nicht in Westdeutschland gewesen. Sie hatte eine Fähre von Brindisi nach Patras genommen und hatte so Jugoslawien umgangen. War die Visa-Situation 1948 schon derart schlecht gewesen, bevor der Kalte Krieg so richtig in Gang gekommen war?
    »Delia!«, rief Carmine. »Ich fahre zu Cornucopia.«
     
    »Wie gut ist Ihr Russisch?«, fragte er Dr. Erica Davenport geradeheraus. »Hat Ihr russischer Freund Ihren Sprachkenntnissen einen Feinschliff verpasst?«
    »Oh, Sie sind wirklich aufdringlich!«, sagte sie und klopfte mit dem Ende eines goldenen Kugelschreibers auf ihren Schreibtisch.
    »Das kann doch kein Geheimnis sein. Es steht in Ihren FBI-Akten.«
    »Kann ich daher annehmen, dass Sie glauben, das FBI hätte mich im Zusammenhang mit den Spionagefällen von dem Verdacht freigesprochen?«, fragte sie kalt.
    »Das FBI ist das FBI und hat seine eigenen Gesetze. In meinen Augen befreit Sie das nicht von einem Verdacht«, meinte Carmine.
    »Ich gebe zu, ich hatte in meiner Jugend einen russischen Freund, und es fällt mir leicht, Fremdsprachen zu lernen. Ein Professor an der Smith hat mich in russischer Grammatik undLiteratur unterrichtet, aus schierer Dankbarkeit, dass überhaupt jemand Interesse zeigte. Ich habe außerdem mit der Idee gespielt, als Diplomatin ins Außenministerium zu gehen. Zufrieden?«
    »Wie viel davon weiß das FBI?«
    »Schlauer Captain Delmonico! Sie wissen, dass ich den Freund nicht erwähnt habe, und trotzdem wissen Sie von ihm. Es ist wohl jemandem beim FBI durch die Lappen gegangen.«
    »Je größer die Organisation, desto mehr Leuten geht etwas durch die Lappen. Was ist mit der Leidenschaft passiert?«
    »Wie bitte?«
    »Der Leidenschaft. Mit zwanzig waren Sie voll davon.«
    Erica Davenport lächelte höhnisch. »Das denke ich nicht.«
    »Ich schon. Ihre Bestrebungen für mehr Menschlichkeit brannten in Ihnen wie glühende Kohlen. Sie wollten die Welt verändern. Stattdessen haben Sie sich eingefügt.«
    Ihr Gesicht wirkte auf einmal bleich und verkniffen. »Ich denke«, sagte sie langsam, »ich hatte neue Ventile für meine Leidenschaft gefunden, wenn Sie damit jugendliche Träume meinten. Ich fand heraus, dass Frauen nicht dafür ausgestattet sind, die Welt zu verändern, weil die Macht in den Händen der Männer liegt. Sie setzen sich durch. Zuerst, Captain, müssen wir Macht erlangen, dass ist dieser Tage unser erstes Ziel.«
    »Wir? Unser?«
    »The Monsterous Regimen of Woman.«
    »Knox war ein Frauenhasser und ein geiler alter Bock.«
    »Aber bedenken Sie, welche Macht er hatte! Und dann nennen Sie mir ein weibliches Äquivalent. Können Sie nicht. Alte Männer können kleine Mädchen straffrei entjungfern, wenn sie die Gedanken anderer kontrollieren und lenken.«
    »Haben Sie eine enge Verbindung zu Dr. Pauline Denbigh und den Feministinnen?«
    »Nein.«
    »Und Philemona Skeps?«
    Erica Davenport lachte. »Nein.«
    Carmine stand auf. »Ich würde mich gern mit Dr. Duncan MacDougall unterhalten.«
    »Warum? Um ihn so zu quälen wie meinen Sekretär?«
    »Wohl kaum. Er ist der Geschäftsführer von Cornucopia Research.«
    »Ich verstehe. Mal wieder die Macht. Untergebene können gequält werden, aber die Chefs sind unantastbar.« Sie nahm einen Aktenordner. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, sagte sie und klang gelangweilt. »Er macht seine eigenen

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