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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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werden, dann würde ich stets ein Untergeordneter bleiben, keiner, dem es vergönnt ist, Bedeutendes, Heroisches zu vollbringen. Meine Zukunftsausicht hieß Arschinger. Wenn meine Lehre zu Ende war, würde ich einer sein wie er. Ein Vorletzter, einer, dessen einziges Privileg es ist, Lehrlinge quälen zu dürfen. Mir graute davor. Aber so lange Tante Grete noch gelebt und mich das Gesetz zu ihrem Schutzbefohlenen gemacht hat, hatte ich keine Chance, aus dieser Hölle zu entkommen. Ich konnte mir die Hölle nur ingenehmer machen. Und den Arschinger aus ihr entfernen. Damals ist in mir jenes Genie, mit dem ich nun meinen Plan ausführe, erstmals aufgeblitzt. Der perfekten Planung folgte die perfekte Ausführung. Nur mein Opfer hat am Ende gewusst, lass ich es war. Ich werde Arschingers Blick nie vergessen. Wut und Ohnmacht.
    Ein paar Mal hat er ausgeholt, um mir etwas zu sagen, die Worte sind aber jedes Mal in seinem Hals steckengeblieben, am Ende hat er hilflos den Kopf geschüttelt und sich von den Polizisten abführen lassen. Er hatte das Schlimmste und Beschämendste getan, das man in seinem Beruf tun konnte. Arschinger war als Ladendieb entlarvt worden. Er, der scheinbar treue Bedienstete, seit zwei Jahrzehnten in der Firma, hatte seinen Dienstgeber bestohlen. Wer weiß, wie oft er das schon getan hatte, bevor man ihn endlich erwischt hat, haben alle danach gemunkelt. Und mir anerkennend auf die Schulter geklopft.
    Ich war es, der den schamlosen Dieb entlarvt hatte. Es war einfach, die brillantbesetzte Krawattennadel aus der Vitrine der Männerschmuckabteilung im rechten Eck des Herren-Stockwerkes zu stehlen. Zu Mittag war nur eine ältere Verkäuferin dort und die wurde manchmal weggerufen, um anderswo auszuhelfen. Ich brauchte nur zu warten, bis das der Fall war, den Schlüssel für die Glasvitrine aus der Lade zu nehmen und aufzusperren. Keine fünf Sekunden, dann waren die Nadel in meiner Hosentasche und der Schlüssel wieder in der Lade. Ich war mir sicher, der Diebstahl würde nicht sofort entdeckt werden, trotzdem hatte ich keine Zeit verloren. Arschinger war stets mit einer alten, abgegriffenen Lederaktentasche zur Arbeit gekommen, in der er eine Thermosflasche, die mit irgendeinem Heilkräutertee gefüllt war, und seine beiden Jausenbrote mitgebracht hatte. Irgendetwas Kostbareres muss auch noch drinnen gewesen sein, denn er hatte sie nie im Aufenthaltsraum für Beschäftigte deponiert, sondern stets in die Abteilung mitgenommen und dort, wo er sich während der Arbeit meistens aufgehalten hatte, hinter einem Vorhang abgestellt. Da er sie nur selten aus den Augen gelassen hatte, war der nächste Schritt etwas schwieriger gewesen und hatte mehr Geduld erfordert.
    Ich hatte die teuerste Seidenkrawatte unter mein Hemd gesteckt und einfach gewartet. Es hatte vor 14 Uhr geschehen müssen, denn das war die Zeit gewesen, in der einer der Kaufhausdetektive während seiner Runde bei uns vorbeigekommen war. Arschinger war kurz verschwunden und hatte mir damit die zweiten fünf Sekunden gegeben, die ich für mein Vorhaben gebraucht hatte. Ich hatte Krawatte und Nadel in seine Aktentasche gestopft und gewartet, bis der Detektiv auf der Rolltreppe aufgetaucht war. Dann war ich neben ihm zu Arschinger geschlendert und hatte diesen beiläufig gefragt, aber so laut, dass es der Detektiv hören konnte, ob es in Ordnung sei, wenn auch ich eine Krawatte einfach so, ohne sie vorher an der Kassa zu bezahlen, nach Hause mitnehmen würde, um zu sehen, ob sie zu meinem Anzug passte. Arschinger hatte mich entgeistert angeglotzt, die Hände in die Hüften gestemmt und mit beinahe kreischender Stimme festgestellt, dass ich nun total vertrottelt sei.
    Der Detektiv war stehen geblieben und hatte zugehört. Dann darf ich es wohl deshalb nicht, weil ich nur ein Lehrling bin, hatte ich gesagt, solche Privilegien sind wohl nur großen Verkäufern, wie er einer sei, Vorbehalten. Es lief genau nach Plan. Arschinger war ausgerastet, hatte gebrüllt wie ein Wilder, ich hatte dem Detektiv die Jausentasche gezeigt und er hatte Krawatte samt Brillantnadel gefunden. Kein Arschinger mehr, der Job wurde dadurch allerdings nur um Nuancen angenehmer. Aber ich hatte erstmals erkannt und auch bewiesen, dass man sich aus der Umklammerung scheinbar Mächtigerer befreien kann, wenn man mit Mut, Entschlossenheit und Intelligenz vorgeht. Die erfolgreiche Sache mit Arschinger hatte mich dann auch auf die Idee gebracht, aus meiner zweiten Hölle zu

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