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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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wenn ich einmal daheim bin . . . wenn ich die Zeit dazu habe, und dann ist es oft nervig und vorbei mit der Geduld, ist doch kein Wunder bei dem Geplärre und Gewetze, oder?, i glaub i geh jezd, es is Zeid, i woa scho vü zlång unda eich, denk ich mir dann, dachte ich nun, ja, der Wolferl. . . Wolferl?
    Auf einmal fand ich mich im Mastkorb wieder. Mastkorb, ha, dachte ich, vielleicht auch Masturbierkorb, das eine oder andere Mal, wenn keiner raufblickt in die luftigen Höhen. Luftig? Ja, Fenster auf. Frischluft. Wie im. . . ja, im Mastkorb also. Ganz ungewollt. Ohne ihn bestiegen zu haben. Und ich blickte auf meine Entrüstung Mutter gegenüber. Entrüstung aus Selbstschutz? Ja, Selbstschutz. Aber Schutz wovor? Vor Rosas Anwürfen, ausgesprochen über Mutters rechthaberischen Mund? Gewiss. Als durchschlüge eine Urkraft die Ziegelmauer um mich, meinen Kokon aus gebranntem Ton, und die Anwürfe schleuderten auf mich zu, jeder Anwurf ein Stein, der trifft, der Wunden schlägt, der schmerzt. Jeder Stein ein kleiner gelber Zettel, der erst im Flug zum Stein wird. Post-its. Ja, Mutters gelbe Zettelchen. Ein gelber Selbstkleber in jeder Lage für jede Lebenslage. Oder waren es gar keine Anwürfe, sondern vielmehr . . . ja, was denn? Waren die Steine keine Ziegel, sondern bloß das, wonach sie klangen. Worte? Rufe? Rufe wonach? Nach Hilfe? Hilferufe? Eine Ziegelmauer aus lauter Steinen, die schützen, solange sie steht, und zu Hilferufen mutieren, wenn sie birst? Sprechende Schutzziegel? Schützende Ziegelsprache? Mein Lieber, mein Lieber, eine Philosophie ist das heute. Das muss der Zweitausender Merlot gewesen sein. Wie war das jetzt mit der Entrüstung? Und dem Selbstschutz? Entrüstung aus Schutz. . . vor mir selbst? Man sollte nicht zu hoch hinaufsteigen. Scheiß Masturbierkorb. Gell, Michelin. Michelin?

In Rosis Gasthaus, Graz Andritz, Montagabend
    Die 48 leeren und dienstfreien Stunden waren als eine Art Erholung gedacht. Kräfte sammeln, beobachten. Alles noch einmal durchdenken. Die Ruhe und Umsicht, die ich mir davon erwartet habe, kann ich jetzt aber nicht wirklich finden. Ich bin zu aufgewühlt. Das Schießen im Steinbruch hat mich zwar für ein paar Stunden abgelenkt, aber jetzt bin ich wieder in der Stadt und unter Menschen. Ich muss mich unauffällig geben, ganz normal sein. Der Hofer, wie sie ihn kennen. Aber ich bin nicht mehr der Normalfall Hofer. Ich bin mein eigener General und meine eigene Armee. Gemeinsam marschieren wir jetzt auf etwas Großes zu. Das wühlt mich auf, so sehr, dass ich daran zu zweifeln beginne, es so unterdrücken zu können, dass keiner es merkt.
    Ich muss mich aber unter Menschen begeben, weil das zu meinem normalen Leben gehört und weil es auffallen könnte, wenn ich es nicht täte.
    Wenn ich dienstfrei habe, esse ich am Abend meistens bei Rosi. Sie nennt ihr Gasthaus ein gutbürgerliches Lokal und serviert das, was man bei uns ein gutbürgerliches Essen nennt. Geröstete Leber zum Beispiel. Knödel mit Ei und gemischtem Salat. Bauernschmaus, Schweinsbraten, beides mit Sauerkraut und Semmelknödel, Wiener Schnitzel und Cordon Bleu, Tiroler Gröstl oder Blutwurst mit Röstkartoffeln. Spinat mit Spiegelei und den gleichen Röstkartoffeln. Das Hawaii-Kotelett mit der zu Gummi gerösteten Ananasscheibe hat sie Gott sei Dank von der Karte genommen, jetzt heißt es Schweinskotelett vom Grill mit Beilage nach Wahl.
    Zwei der drei, die auch sonst immer da sind, sind heute da. Hannes Träufl, Automechaniker, seine riesigen Hände werden wohl nie mehr ganz sauber werden, und der Herr Scheiner, den jeder so nennt, weil er entweder keinen Vornamen besitzt oder als kleiner Bankkassier so großen Respekt genießt, dass das Erwähnen seines Vornamens eine Erniedrigung bedeuten könnte.
    Die beiden sind heute mein Alibi und ich lasse geduldig mehrere müde Träufl-Witze über mich ergehen, während ich die Leberknödelsuppe auslöffle. Harmlose Trottel. Ich spiele schon seit Jahren ihr Spiel mit. Für sie habe ich keinen Namen, nicht einmal ein freundliches Lutz, ein amikales Schutz-Lutz oder ein respektvolles Herr Hofer bringen sie über die Lippen. Hier bin ich einfach der Nachtwächter. Angehöriger einer untergeordneten Berufsgruppe. Die Witze, die sie über mich und meinen Job machen, sind so dumm und abgedroschen, dass ich sogar selbst mitlachen kann. Mein Lachen gilt ihrer Dummheit, aber das wissen sie nicht.
    Außer Rosi weiß keiner im Gasthaus, wer ich früher war. Sie sagt es

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