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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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in der Linken trage ich den Plastiksack. Vollbeladen, könnte man sagen. Wie ein Esel. Der erste Teil ist einfach, da geht es leicht bergab. Aber der Anstieg über die Stufen zum Jungfernsprung macht mir doch einigermaßen zu schaffen. Obwohl die Nacht kühl ist, schwitze ich wie ein Schwein. Schwitzen Schweine überhaupt? Wenn nicht, dann schwitze ich eben wie ein Eunuch. Die sind dick und kahlköpfig und die schwitzen immer.
    Oben lege ich Hanser auf den Boden. Er rührt sich immer noch nicht, aber er ist nicht tot, ich kann seinen Puls fühlen. Vom Murtal, das sich unter mir ausbreitet, blitzen Lichter hoch. Einige bewegen sich sogar, das sind die Autos auf der Autobahn.
    Dorthin darfst du fliegen, den Lichtern entgegen, denke ich, als ich ihn wieder hochhebe. Jetzt kommt er mir schwerer vor. Es dauert eine Weile, bis ich ihn bis auf Brusthöhe und über das Geländer des Zaunes heben kann. Er plumpst auf der anderen Seite auf den Boden. Ich lasse ihn vorläufig dort liegen. Selbst wenn er zu Bewusstsein käme, könnte er sich nicht bewegen. Ich habe Hände und Füße mit Seidenschals umwickelt, da wird man später keine Fesselungsspuren feststellen können. Den Mund habe ich ihm nicht verklebt. Ein Seidentuch als Knebel, ein anderes um den Mund gewickelt.
    Noch ist einiges zu tun. Zunächst spanne ich dort, wo der Anstieg zum Jungfernsprung beginnt, zwischen zwei Bäumen ein Plastikabsperrband und hänge den beschrifteten Karton drauf. Achtung Steinschlaggefahr. Zugang verboten! Es sieht so offiziell aus, dass es mit Sicherheit keiner der braven Bürger wagen wird, dagegen zu verstoßen. Der Turm der Ruine hebt sich schwarz vom Grau des Nachthimmels ab. Es ist knapp vor fünf. Eine Stunde hatte ich eingeplant und eine Stunde lang hat es auch gedauert.
    Ich klettere über den Zaun und taste mich bis zum Eisenkreuz vor, das in einen Felsen betoniert wurde, der ein paar Meter tiefer liegt als die Aussichtsplattform. Alles genau ausgekundschaftet. Jetzt ein kurzer Abstieg, Vorsicht, ich kann es mir nicht leisten, den Knöchel zu verknacksen. Jetzt nicht. Hier, zwischen den Bäumen, kann mich keiner sehen, wenn es hell wird. Jetzt krieche ich wieder hoch und schleppe Hanser zu meinem Platz. Bis es zu dämmern beginnt, muss ich ihn noch am Leben erhalten. Er darf erst sterben, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Am besten unmittelbar vor dem Schuss. Aber das wird nicht gehen, weil es dann schon zu hell ist und man mich möglicherweise von der Ruine aus sehen kann. Ich muss den Zeitpunkt klug wählen. Keine Fehler, Hofer. Früher nicht und jetzt schon gar nicht. Er liegt neben mir und ist immer noch bewusstlos. Ich checke die Waffe noch einmal durch. Dann nehme ich die Patronenschachtel aus dem Plastiksack und lade sie. Noch vier Stunden und es ist kühl. Zum Glück trage ich unter dem Overall meine Thermounterwäsche, Jeans und den dicken Pullover.

Die Nachbesprechung der blamablen Vorstellung der Schwarz-weißen gegen die Grünweißen mit den Kollegen aus dem Kieberersektor widerspricht der Theorie, dass Dienst Dienst und Schnaps Schnaps sei, da der Dienst, dort der Schnaps, dachte ich in diesen kopfbrummenden Donnerstagmorgen hinein, weil doch zwischen jedem Dienst auch ein wenig Schnaps und vice versa sein kann. Da ein bisschen Dienst (dienstlicher Palaver), dort ein bisschen Schnaps, jeder für sich, aber nicht getrennt, eine fruchtende Wechselbeziehung, die mit Fortdauer des Abends, wie auch den roten Nasenspitzen der Kollegenschaft anzusehen war, sehr persönlich wurde, überlegte ich weiter, was gut war, weil es doch auch etwas Persönliches, etwas polizeilich Persönliches sein musste, das unseren Mörder morden ließ. Diese Morde sind auch gegen uns gerichtet, hat sie gesagt, hatte ich den Kollegen gesagt, nicht gerade gegen sie, Bela, aber womöglich gegen uns alle oder auch nur den einen oder den anderen. Oder gegen beide: den einen und den anderen. Die Blamage der Polizei als Begleitmotiv.
    Und dann war da die Sache mit der Telefonzelle bei den Kleinerwerken. Und mit dem Zeitwegdiagramm, dass er, der Mörder, es recht eilig gehabt haben musste, weil er doch sonst eine andere, dem Schloss Eggenberg nähere Zelle genommen hätte, um den Landesrat Moser in die Strickfalle zu locken, woraus wir, Bela und ich, geschlossen hätten, hatte ich den Kollegen kommuniziert, überlegte ich, dass er dort zu tun hatte, und wenn es nicht privat war, dann beruflich, wo es für ihn, den Mörder also, galt, um zehn Uhr

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