zuadraht
Staublawine, falsch es Ziel für Betriebsausflüge . „Geht doch zu Fuß, ihr faules Kiebererpack!“ Dabei stützte er sich auf eine zementbepulverte Schaufel und auf die Erfahrung, dass keine Stunde zuvor der gesamte Regierungstross und landesmütterliche Hofstaat vorbeigerollt und Augenblicke vor mir die gehetzte Kollegenmeute auch schon durchgebraust war.
„DAS IST EIN POLIZEIEINSATZ!“, hielt ich, ebenso schreiend, dagegen. Und Dinge wie im Namen des Gesetzes (ja, das habe ich tatsächlich gesagt), Straße frei, und dazu (gestützt auf die allmächtige Staatsgewalt und mit Blick auf die noch laufende Mischmaschine, den Rohzubau und die beiden Hackler, die es nicht geschafft hatten, sich dem Auge des Gesetzes, also meinem, zu entziehen): Schwarzarbeiter, Baugenehmigung, behördliches Verfahren und: „I zag di an!“
Kurzum: ein Knäuel loser Satzfragmente und Wortenden, das sich da zu verwirbeln und ineinander zu verflechten begann. Um dieses Netzwerk zu entwirren, braucht es eine Portion spontaner Geradlinigkeit, war es mir eingeschossen, hatte ich als Rechtfertigung vorgebracht, dachte ich sehr viel später, und diese Geradlinigkeit war, wenn Sie so wollen, die Gerade, die ich diesem Jedermann (Niemand) verpasste. Wer konnte denn ahnen, dass die zwei Polen legal im Land und an der Arbeit waren? Und der Zubau genehmigt? Und was, frage ich, hätte das an der Verfahrenheit der Situation geändert?
Wirf deinen Abfall nicht hierher, nimm ihn gleich mit, er ist nicht schwer. Aktion „Saubere Steiermark“. Die weißen Lettern auf grünem Schild an der Böschung unterhalb der Burganlage waren das Erste, was ich nach den Schreien des sich im Straßengraben windenden Jedermanns (Niemands) bewusst aufnahm. Dann, neben dem kurzen Treppenaufgang zum schmiedeeisernen Zugangsgitter, einen Rettungswagen, in dessen transparentem Teil des Sichtfensters über dem Milchglas Sanitäterköpfe geschäftig hin – und herwischten. Und nach dem flachen Aufgang aus Steintreppen, wie starre Schuppen eines Panzertieres vorwärts verlaufend übereinander geschichtet und an die Außenmauer des kleinen Innenhofes geduckt, gut vier Dutzend knarrender Holzstufen, die sich im Bergfried auf die Plattform hochschraubten. Und hernach, als ich atemlos und blinzelnd aus dem Bretterüberbau auf den Turmvorplatz ins gleißende Morgenlicht hinaustrat, ein Bild, das sich dir in die Festplatte brennt und das du, besser als jede digitale Fotografie, dreidimensional behältst, wann immer abrufen und in beliebige perspektivische Winkel drehen und wenden kannst. Ein Bild, vom Faktischen des Augenblicks genährt und um die Phantasie des Geistes zur unauslöschlichen Sequenz bereichert: der aufgeplatzte Schädel unserer Landeshauptfrau.
„Was wissen wir bisher?“
Der Kommandierende der Uniformierten hob mit gespielter Beiläufigkeit die Hand zum Gruß, als wollte er eine lästige Haarsträhne hinters Ohr wischen. „Geschossen wurde von dort drüben, Herr Oberstleutnant.“ Er wies über die brusthohe Steinmauer in nördliche Richtung zur tief unten verlaufenden Mur hin. „Von der Aussichtsplattform beim Jungfernsprung. Gut und gerne hundertfünfzig Meter. Ein meisterhafter Schuss, wenn ich so sagen darf.“
„Die verirrte Kugel eines Taubenjägers wird es ja wohl kaum sein, oder?“
„Natürlich nicht.“
„Was ist mit dem Schützen?“
„Der liegt zerschmettert auf einem Felsvorsprung. Tot. Vom Roten Kreuz bestätigt. Die sind aus der Luft mit dem Seil zu ihm runter. Unser Hubschrauber mit den Kollegen vom Mobilen Einsatzkommando müsste ebenfalls gleich da sein. Die holen ihn dann raus?
„Ist einer unserer Männer unten?“
„Noch nicht. Ohne Sicherung da runter zu gehen, ist Wahnsinn. Sie wissen doch, der Jungfernsprung.“
Natürlich. Der Jungfernsprung. Kaum ein Platz ist so beliebt bei den Grazer Selbstmördern, dachte ich, ja was heißt denn Grazer, die kommen von überall her, als hätte Freund Hein an der Wand einen Magneten ausgelegt. Ein kleiner Schritt über die Kante und ein Freiflug (mit etwas Geschick und Glück einhundert Meter und mehr) in die Gewissheit absoluter Todesgarantie.
„Ich brauche den präzisen Ablauf in allen Einzelheiten. Wer war noch auf dem Turm, als es passiert ist?“ sagte ich.
„Ein paar Dutzend Leute“ entgegnete er. „Dicht gedrängt. Im Umkreis der Landeshauptfrau standen vier Sicherheitsleute aus ihrem Mitarbeiterstab. Und drei Kollegen von uns. Dann ein paar Verantwortliche von der
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